Wann besteht Freiheit von der Sozialversicherung?
Wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer über mindestens 50 Prozent des Stammkapitals verfügt oder aufgrund besonderer Vereinbarungen im GmbH-Vertrag die Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern kann (sogenannte Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung), hat er einen entscheidenden Einfluss auf die GmbH. Er kann dadurch auch Beschlüsse verhindern, die sein Dienstverhältnis benachteiligen würden. In diesen Fällen ist der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht abhängig beschäftigt und es besteht keine Sozialversicherungspflicht. In allen anderen Fällen ist jeweils individuell zu prüfen, ob Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig sind.
Minderheitsgesellschafter einer GmbH sind Personen, die aufgrund der Höhe ihres Gesellschaftsanteils keine entscheidende Rechtsmacht haben und somit keine Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung verhindern können. Lange wurden Minderheitsgesellschafter als nicht versicherungspflichtig beurteilt, sofern nur sie über die erforderliche Branchenkenntnis ("Kopf und Seele" des Betriebes) verfügen oder sie aufgrund der familiären Verhältnisse frei schalten und walten können. Bereits 2012 entschied das BSG jedoch, dass Familienangehörige, die ohne eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Rechtsmacht keinen entscheidenden Einfluss auf die GmbH (z.B. als Minderheitsgesellschafter) haben, als versicherungspflichtig anzusehen sind.
Auch wenn die Minderheitsgesellschafter über die alleinige Branchenkenntnis verfügen, besteht grundsätzlich Sozialversicherungspflicht. Ebenso ist die freie Einteilung der Arbeitszeit kein abschließendes Argument mehr, auf eine Selbstständigkeit zu plädieren. Das gilt insbesondere für Gesellschafter-Geschäftsführer, die „Kopf und Seele“ des Unternehmens sind.
Das Urteil blieb bisher in der Praxis meist unbeachtet – allerdings heben ggf. die Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen auch einen vorliegenden Feststellungsbescheid der Krankenkasse für die Zukunft auf.
Um die Folgen des Urteils von 2012 zu verhindern, schlossen vielfach Minderheitsgesellschafter gemeinsam einen Vertrag mit dem Inhalt, zukünftig nur noch einstimmig abzustimmen (Stimmrechtsbindung). Damit hätten Minderheitsgesellschafter wieder eine „Rechtsmacht“ wie ein selbstständiger Unternehmer. Häufig wurde jedoch versäumt, diese Stimmrechtsbindung in die Gesellschaftsverträge aufzunehmen. Stimmrechtsbindungsverträge außerhalb von Gesellschaftsverträgen haben jedoch laut BSG keine Wirkung bei der Beurteilung einer Beschäftigung. Selbst dann nicht, wenn diese notariell beglaubigt sind.
Inzwischen hat das BSG am 11.11.2015 in drei weiteren Verfahren bestätigt, das Minderheitsgesellschafter grundsätzlich als versicherungspflichtig Beschäftigte anzusehen sind.