Unternehmen übernehmen: Der einfache Weg in die Selbst­ständigkeit

Redaktion
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Gründen oder übernehmen? Wer in die Selbstständigkeit gehen möchte, sollte sich diese Frage stellen. Denn eine Unternehmensübernahme bietet viele Vorteile und erleichtert den Weg in die Selbstständigkeit. Doch wie läuft so eine Übernahme aus Sicht einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers ab?

Laut einer Marktforschungsanalyse der KfW-Bank suchten im letzten Jahr 227.000 Betriebe einen Käufer. Für fast zwei Drittel dieser Unternehmen war eine absehbare Nachfolge bereits unter Dach und Fach. Allerdings bedeutet das auch, dass ein Drittel der Unternehmen vor einer ungewissen Zukunft stehen.

Keine Nachfolge bedeutet auch: keine Sicherheit für die Weiterbeschäftigung der Mitarbeitenden. Das eigene Ausscheiden als Geschäftsführerin oder -führer ist allerdings ein unliebsames Thema, das gern auf die lange Bank geschoben wird.

Doch in der Wirtschaft wächst das Bewusstsein für den Generationswechsel und auch mittelständische Unternehmen müssen sich um eine passende Nachfolge bemühen. Perfekte Bedingungen für all jene, die vorhaben in die Selbständigkeit zu gehen. Denn: Das Angebot ist groß, ein Unternehmen übernehmen zu können.

Wladimir Taschner aus Kassel hilft dabei: Er bringt angehende Nachfolgende sowie scheidende Unternehmerinnen und Unternehmer zusammen. Im Interview erklärt der Leiter des Begleitprojekts neo (Nachfolge Entwicklung Organisation), wie Käufer und Verkäufer am besten zueinanderfinden, welche Voraussetzungen Kaufinteressierte mitbringen und welche Vorbereitungen sie treffen sollten.

Wie Interessierte Firmen ohne Nachfolge finden

  • Herr Taschner, wie finden interessierte Käuferinnen und Käufer übernahmefähige Unternehmen?

    Für Interessierte gibt es verschiedene Börsen, in denen Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Firmen zur Betriebsübernahme zum Verkauf anbieten. Doch viele wissen gar nichts von diesen Angeboten. Mit dem Begleitprojekt neo schaffen wir eine Plattform, auf der Betriebe und Nachfolgende direkt zusammenkommen.

    Von der Kreishandwerkerschaft Kassel und der Handwerkskammer bekommen wir Firmen zugewiesen, die einen Nachfolger suchen. Das Angebot übernahmefähiger Unternehmen vermittelt das Projekt neo wiederum an interessierte Nachfolgerinnen und Nachfolger. Diesen Prozess wollen wir so spannend wie möglich gestalten, indem wir die Komplexität einer Unternehmensübernahme vereinfachen. Wir bieten persönliche Beratungsangebote und unverbindliche Austauschmöglichkeiten zwischen Unternehmenden und Nachfolgenden. 

Die Betriebsübernahme vergleiche ich gerne mit dem Kauf einer Immobilie.

Wladimir Taschner, Projektleiter neo

  • Wie läuft ein Unternehmenskauf ab?

    Zunächst gibt es bei neo eine Hospitation: Interessierte sollten den Betrieb, den sie übernehmen wollen, kennenlernen. Wir bieten dafür ein mehrwöchiges Programm. Wenn der oder die Nachfolgende und der Eigentümer oder die Eigentümerin mit einer Übernahme einverstanden sind, leitet die Handwerkskammer die nötigen Schritte ein und wickelt die Nachfolge ab.

  • Es wird dann geprüft, was der tatsächliche Wert des Betriebs ist und ob der Käufer oder die Käuferin überhaupt berechtigt ist, das Unternehmen zu erwerben. Dieser Prozess ist äußerst vielschichtig und braucht mindestens ein Jahr Vorlaufzeit. Die Betriebsübernahme vergleiche ich daher gerne mit dem Kauf einer Immobilie. 

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Egal ob Neugründung oder Unternehmenskauf: Rechtzeitige Vorbereitung zählt

  • Welche Voraussetzungen sollten Nachfolgende mitbringen?

    Eine formale Voraussetzung bei einer Unternehmensnachfolge ist – insbesondere im Handwerk – die Meisterpflicht. Potenzielle Käuferinnen und Käufer sollten auch Kapitalrücklagen bilden, die beim Erwerb des Unternehmens oder bei zukünftigen Investitionen wie neuen Maschinen gebraucht werden.

    Weniger formell, aber ebenso wichtig sind die persönlichen Voraussetzungen zur Selbständigkeit – also die eigene Gründerpersönlichkeit. Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin übernimmt überwiegend verwaltungstechnische Tätigkeiten und pflegt den Kontakt zu Kunden und Lieferanten. Außerdem tragen die Nachfolgenden die Verantwortung für die Mitarbeitenden. Inwiefern ist der Übernehmende zum Beispiel in der Lage, Mitarbeiter zu motivieren oder konstruktive Feedbackgespräche zu führen? Das heißt: Nachfolgende sollten sich fragen, welche Soft Skills wichtig sind und ob sie diese erfüllen oder sich weiterbilden sollten. Vor allem im Handwerk haben die meisten mit derartigen Themen kaum Berührungspunkte. 

  • Welche Vorbereitungen sollten bei einer Unternehmensübernahme getroffen werden?

    Ein Unternehmenskauf sollte strategisch und frühzeitig geplant werden. Wichtig ist dabei auch der eigene Lebenslauf. Es braucht ein persönliches Netzwerk mit Expertinnen und Experten aus der Branche, um bei Schwierigkeiten die richtige Unterstützung zu erhalten. 

    Ebenso wichtig: Will die Person das Unternehmen allein übernehmen oder ist eine Teamgründung mit Geschäftspartnerinnen oder -partnern bei Erwerb des Betriebes sinnvoll? Dabei können verschiedene Verantwortungsbereiche wie Bürokratie oder das Tagesgeschäft aufgeteilt werden.

    Natürlich muss auch klar sein, wie die Finanzierung gestemmt wird. Vor allem zinslose Darlehen und Fördergelder haben Fristen, die eingehalten werden müssen. Beim eigenen Businessplan empfiehlt es sich, einen Erstentwurf bei den Banken einzureichen, um sich vor der Finalisierung rechtzeitig Rückmeldung einzuholen. Die Vorbereitungen können eigentlich nicht früh genug losgehen.

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Vorteile überwiegen: Keine Angst vor der Unternehmensübernahme

  • Wie können Ängste vor der Selbstständigkeit genommen werden?

    Eine Sorge, die viele Existenzgründerinnen und -gründer beim Unternehmenskauf umtreibt, ist die Finanzierung. Immerhin bewegen sich die Verkaufspreise zwischen mehreren tausend oder einer Million Euro. Das klingt viel, aber wir versuchen, den interessierten Nachfolgerinnen und Käufern diese Furcht vor der Selbständigkeit zu nehmen, indem wir ihnen bewusst machen, dass es sich um eine sinnvolle Kapitalanlage handelt.

    Außerdem überwiegt oft die Angst vor der Bürokratie. Dort verweisen wir dann auf die unzähligen Unterstützungsmöglichkeiten, die einem als zukünftige Inhaberin oder künftiger Inhaber zur Verfügung stehen. Bei einer Betriebsübernahme müssen sich Nachfolgende Schritt für Schritt diesen Herausforderungen stellen. Im Rückblick zeigt sich oft, dass der Weg in die Selbstständigkeit gar nicht so schwierig war.

  • Was sind die Vorteile einer Unternehmensübernahme?

    Ganz klar: Mit der Weiterführung eines etablierten Unternehmens kommt kontinuierlich Geld rein – der Cashflow bleibt erhalten. Mundpropaganda und bestehende Beziehungen zu zufriedenen Kundinnen und Lieferanten sparen Werbekosten, um einen Kundenstamm aufzubauen.

    Nachfolgende können neue Geschäftsideen einbringen, die mit dem laufenden Betrieb finanziell unterstützt werden: Das Risiko einer scheiternden Idee ist also geringer. Unternehmen können sich in spezifischen Bereichen wie der Digitalisierung oder Nachhaltigkeit weiterentwickeln und müssen nicht erst eine Marke aufbauen.

    Den größten Vorteil sehe ich durch den bestehenden Erfahrungsschatz, auf den Nachfolgende zurückgreifen können. Bei der Vermittlung dieses Wissens hilft unser Hospitationsprogramm. Potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger erhalten wichtige Informationen aus erster Hand und können daraus wertvolle Lehren ziehen. 

Krisenzeiten: Existenzängste überwinden

Im Interview erklärt Wirtschaftspsychologe Tobias Nitzschke wie Unternehmerinnen und Unternehmer in schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf bewahren.

Hier finden interessierte Nachfolgende Beratung:

  • neo Nachfolge

    Das Kooperationsprojekt zwischen der Kreishandwerkerschaft Kassel und der ZEUSS GmbH vermittelt Nachfolgerinnen und Nachfolger mit scheidenden Unternehmen in Nordhessen.

    Zum Begleitprojekt neo Nachfolge
  • nexxt-change

    Deutschlands größte Unternehmensnachfolge-Börse vermittelt Inhaberinnen und Inhaber von Unternehmen mit interessierten Selbstständigen.

    Zu nexxt-change
  • Handwerkskammern vor Ort

    Die Handwerkskammern helfen bei der Vermittlung und Übernahme von Handwerksbetrieben in Ihrer Region.

    Handwerkskammer in Ihrer Region finden
  • Industrie- und Handelskammer

    Die IHK berät Nachfolgerinnen und Nachfolger zu steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen bei der Unternehmensübernahme.

    Zur Nachfolgeberatung der IHK

Mit der Verantwortung wachsen

Insbesondere im Handwerk stehen die Chancen einer Betriebsübernahme gut. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, Menschen eine Übernahme schmackhaft zu machen. Dabei sind auch Unternehmen in der Pflicht, die richtigen Angebote zu nutzen und ihren Betrieb für Interessierte zu öffnen.

Wer mit dem Gedanken spielt, in die Selbstständigkeit zu gehen, sollte die Option der Unternehmensübernahme im Hinterkopf behalten. Auch wenn der Kapitaleinsatz im ersten Moment hoch erscheint: Die Risiken sind deutlich geringer und auch der eigene Stempel lässt sich dem gewachsenen Betrieb aufdrücken. Nachfolgerinnen und Nachfolger sollten klare Vorstellungen und einen Businessplan haben – und das braucht genügend Vorlaufzeit. Denn: Eine Unternehmensübernahme darf kein Schnellschuss sein.

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Veröffentlicht am 19.11.2021

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