Die Nase ist zu, der Husten strengt an und der Hals brennt bei jedem Schlucken wie Feuer. Erkältungssymptome können einem ganz schön zu schaffen machen. Zum Glück gibt es eine ganze Reihe rezeptfreier Medikamente aus der Apotheke, um die typischen Symptome zu lindern und zu therapieren. Viele Menschen greifen dann zu Präparaten mit synthetisch hergestellten Wirkstoffen, wie etwa Acetylsalicylsäure, in der Annahme, nur diese seien wirklich wirksam.
Auch bei anderen Beschwerden sind synthetische Arzneimittel oft die erste Wahl: Zum Beispiel Gele mit Diclofenac gegen Gelenkschmerzen, Salben mit Dexpanthenol zur Versorgung von Wunden oder Kautabletten mit Hydrotalcit gegen Sodbrennen.
Von Schnupfen über Gelenkschmerzen bis hin zu Wechseljahrsbeschwerden: Für eine Vielzahl alltäglicher Beschwerden gibt es Medikamente mit rein pflanzlichen Inhaltsstoffen. Doch was kann die sogenannte Phytotherapie leisten? Ein Ausflug in die Welt der Pflanzenheilkunde.
Mit Pflanzenkraft gegen alltägliche Beschwerden
Eine ebenso wirksame Alternative für die Selbstmedikation sind pflanzliche Arzneimittel, auch Phytopharmaka genannt.
Im Unterschied zu synthetischen Arzneimitteln, die in der Regel nur einen oder nur wenige Wirkstoffe enthalten, handelt es sich bei den Pflanzenwirkstoffen um Vielstoffgemische, die sich aus mehreren, sogar hunderten verschiedenen Substanzen zusammensetzen. Dadurch sind sie im Organismus an unterschiedlichen molekularen Zielstrukturen gleichzeitig aktiv.
Ein großes Plus ist zudem, dass pflanzliche Arzneimittel häufig besser vertragen werden als synthetische. Deshalb eignen sich Phytopharmaka so gut zur Selbstmedikation.
Von Kräuter-Medizin zum anerkannten Therapiekonzept
Die Pflanzenheilkunde, auch Phytotherapie genannt, gehört zu den ältesten medizinischen Therapien und basiert auf uralten Überlieferungen und traditionellem Wissen um die Wirkung von Heilpflanzen. Im Zuge einer grundlegenden naturwissenschaftlichen Aufarbeitung und Forschung im 20. Jahrhundert hat sich die einst als "Kräuter-Medizin" belächelte Pflanzenheilkunde zu einem wichtigen Teil der modernen naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin entwickelt, deren Ursprung sie im Grunde einmal war. Heute sind in der Apotheke viele pflanzliche Arzneimittel erhältlich.
Qualität der pflanzlichen Arzneimittel
Pflanzliche Arzneimittel unterliegen natürlichen Schwankungen. So können beispielsweise das Klima, der Standort des Anbaugebiets, der Zeitpunkt der Ernte, die Lagerung oder aber auch die Verarbeitung Einfluss auf den Gehalt an Inhaltsstoffen haben. Um hier eine gleichbleibend hohe Qualität und Wirksamkeit zu erzielen, wurden Standards geschaffen und die Wirkstoffmengen definiert, die ein Phytopharmakon enthalten muss.
Die Qualität pflanzlicher Arzneimittel hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit ist durch das Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt. Phytopharmaka durchlaufen – wie auch synthetische Arzneimittel – Kontrollen und Zulassungsverfahren. Die Unternehmen müssen dem nationalen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder der europäischen Arzneimittelagentur Unterlagen vorlegen, welche die Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel belegen.
Klar abzugrenzen sind Phytotherapeutika von klassischen Nahrungsergänzungsmitteln. Diese können die Ernährung gesunder Personen ergänzen, zählen zu den Lebensmitteln und unterliegen demnach dem Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV). Die Hersteller machen immer häufiger gesundheitsbezogene Angaben. Diese sogenannten Health Claims – zum Beispiel dabei zu helfen, das Immunsystem aufzubauen – unterliegen zwar mittlerweile strengen EU-Regelungen inkl. Positiv-Liste, jedoch gibt es immer noch Schlupflöcher für nicht nachgewiesene Werbeversprechen.
Beispiele: Wann Phytotherapie zum Einsatz kommen kann
Blasenentzündung
Gerade bei einer beginnenden Blasenentzündung und bei leichten Symptomen ist ein pflanzliches Wirkstoffgemisch aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel eine gute Wahl. Es wirkt schmerzlindernd, krampflösend, Bakterien ausspülend und entzündungshemmend und kann frühzeitig helfen.
Erkältungssymptome
Efeu, Primelwurzel und Salbei lindern Hustenreiz, wirken schleimlösend und lassen Entzündungen zurückgehen. Auch Thymian wirkt schleimlösend und entzündungshemmend sowie antiviral und antibakteriell. Bei Halsschmerzen, Bronchitis und generell bei durch Viren ausgelösten Atemwegserkrankungen wirken Extrakte aus der Kapland-Pelargonie wahre Wunder.
Magen-Darm-Erkrankungen, Blähungen, Sodbrennen
Viele pflanzliche Medikamente nutzen hierbei die wirksamen Bestandteile von Kamille, Kümmel, Melisse, Angelikawurzel, Pfefferminze, Mariendistel, Schöllkraut, Süßholzwurzel und bitterer Schleifenblume.
Menstruationsschmerzen
Arzneimittel mit natürlichen Extrakten aus dem Mönchspfeffer lindern Schmerzen und fördern darüber hinaus einen regelmäßigen Zyklus.
Wechseljahrbeschwerden
Ein breites Spektrum an pflanzlichen Mitteln kann menopausale Beschwerden lindern. Leidet eine Patientin während ihrer Wechseljahre vor allem unter Hitzewallungen, kann ein Mittel aus der Wurzel der Traubensilberkerze helfen. Manche Frauen spüren die Wechseljahre auch an ihrer Stimmungslage, in diesen Fällen kann Johanniskraut helfen.
Sportverletzungen
Arnika wirkt bei Verstauchungen abschwellend und lässt Blutergüsse zurückgehen. Außerdem wirkt Arnika entzündungshemmend und schmerzstillend.
Gelenkschmerzen
Gerade bei chronischen Erkrankungen wie Arthrose sind die schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkstoffe der Teufelskralle zu empfehlen.
Darreichungsformen der Heilpflanzen-Extrakte
Bei der Herstellung pflanzlicher Arzneimittel werden die wirksamen sekundären Pflanzenstoffe aus ganzen Gewächsen oder aus Pflanzenteilen extrahiert, etwa aus den Blättern, Wurzeln, Blüten, Früchten oder Samen. Manche Hölzer und Baumrinden enthalten ebenfalls heilsame Wirkstoffe.
Für die Gewinnung der wirksamen Inhaltsstoffe sind jeweils unterschiedliche Herstellungsverfahren nötig, da auch die chemischen Strukturen der Pflanzenteile unterschiedlich stabil sind: So sind manche in Wasser, andere dagegen nur in Alkohol oder Fett löslich. Manche vertragen keine extreme Wärme oder Kälte. Und auch die Auslösungszeit der Extrakte kann stark variieren. Bestandteile der Pflanzen, die zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung nicht nötig sind oder unerwünschte Nebenwirkungen haben, können bei der Extraktion herausgefiltert werden.
Als Medikament stehen die wertvollen Pflanzenextrakte Verbraucherinnen und Verbrauchern schließlich in verschiedenen Darreichungsformen zur Verfügung. Es gibt sie in der Apotheke in Form von Tabletten, Tropfen, Salben, Säften, Tinkturen, Kapseln und Dragees, als Inhalat oder als Spray.
Im individuellen Fall den Hausarzt fragen
Bei allen Vorteilen, die Phytopharmaka bieten, sollte man jedoch nicht außer Acht lassen, dass es bei manchen Pflanzenstoffen auch zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann. Nebenwirkungen sind nicht auszuschließen, auch wenn sie im Vergleich zu synthetischen Wirkstoffen milder ausfallen. Im Zweifel, oder wenn die Symptome länger bestehen, sollten Patientinnen und Patienten deshalb mit ihrem Hausarzt über die individuell für sie richtige Medikation sprechen.