Angst vorm Telefonieren? So überwindest du die Telefonphobie

Redaktion
IKK classic

Bei deinem Arzt anzurufen oder für die Party eine große Familienpizza zu bestellen, löst bei dir Schweißausbrüche oder sogar Panikattacken aus? Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob du eine Telefonphobie hast? Mit diesen Tipps kannst du deine Angst vor dem Telefonieren überwinden.

Viele der Generation X und Y kennen es aus ihrer Kindheit: Um herauszufinden, ob die besten Freunde oder Freundinnen Zeit zum Spielen haben, mussten sie diese zu Hause anrufen – oder sogar direkt vorbeigehen.

Was früher zur Normalität gehörte, ist für viele junge Menschen dagegen eher ein richtiger Stressfaktor. Manche entwickeln daraus sogar eine richtige Phobie: die Telefonangst.

Wir gehen der Sache gemeinsam mit einem Experten auf den Grund und klären über typische Symptome und Ursachen auf und geben dir hilfreiche Tipps, was du dagegen tun kannst.

Nur Nervosität oder bereits eine Phobie?

Sicher warst auch du bereits einmal in der Situation: Du musst einen wichtigen Anruf erledigen. Nervosität breitet sich aus, du hast ein flaues Gefühl im Magen, Herzklopfen oder feuchte Hände.

Doch sobald das Gespräch beginnt und du dich auf den Inhalt konzentrierst, verschwindet dieses Gefühl.

Aber woran erkennst du, ob du lediglich nervös bist oder bereits an einer Phobie leidest? Beobachte dich dafür beim nächsten Anruf einfach mal selbst. Schränken dich deine Ängste bei Telefonaten ein? Ein bisschen Nervosität ist in vielen Situationen ganz normal. Doch sobald du eine echte Panik entwickelst oder sich sogar körperliche Symptome bemerkbar machen, kann es sein, dass du eine Telefonphobie hast.

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Symptome der Telefonphobie

Psychologe Marco Schneider erklärt, dass sich die Telefonphobie anders als bei der bloßen Nervosität durch typische Angstsymptome wie Herzklopfen, Zittern und Atemnot äußert. „Alleine das Klingeln des Telefons kann schon Panik auslösen und das Gespräch wird nach Möglichkeit vermieden und schriftlich abgewickelt“, sagt er.

Die Telefonphobie gehört zur sozialen Angst. Betroffene möchten nicht negativ bewertet werden, fürchten, nicht kompetent oder sogar dumm zu wirken. Auch die Angst, sich zu verhaspeln, ist groß. Der Gründer und Inhaber der auf Angststörungen spezialisierten Praxis für Psychotherapie 100Fears meint: Gespräche mit öffentlichen Diensten wie dem Finanz- oder Sozialamt sind für Betroffene besonders herausfordernd.

Die körperlichen Symptome bei einer Telefonphobie sind typisch für Angststörungen. Dazu gehören:

  • Herzrasen und Herzklopfen
  • Atemnot
  • Schweißausbrüche und schwitzige Hände
  • Zittern
  • Erröten

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Ursachen der Angst vor den Telefonaten

Woher kommt das, dass manche Menschen Angst vor dem Telefonieren haben, und warum scheint besonders die Generation Z darunter zu leiden?

Die Angst vor dem klingelnden Telefon kann verschiedene Ursachen haben.

Übeltäter: Social Media

Vor allem jüngere Menschen sind weniger an die direkte Art der Kommunikation gewöhnt, da die Digitalisierung den Trend zur sogenannten asynchronen Kommunikation fördert.

Anstatt ein Treffen in einem direkten Gespräch zu vereinbaren oder die Restaurantreservierung telefonisch zu machen, gibt es E-Mails, Chats, Online-Formulare und soziale Medien. Das hat den großen Vorteil, dass wir kommunizieren können, auch wenn das Gegenüber gerade nicht erreichbar ist. Die Kommunikation bleibt zudem nachvollziehbar. Akustische Störsignale werden vermieden.

Und ganz wichtig: Du kannst dir vor dem Absenden noch einmal genau überlegen, ob du die Nachricht so übermitteln willst – und dir mit der Antwort Zeit lassen.

Laut einer JIM-Studie ist vor allem der Nachrichtendienst WhatsApp bei den 12- bis 19-Jährigen die beliebteste App. Zwar lässt sich darüber auch telefonieren, aber die meisten nutzen es für rasche, schriftliche Nachrichten. Diese können im Nachgang sogar korrigiert – oder komplett gelöscht – werden.

All das geht bei direkter Kommunikation nicht. „Die Besonderheit an Telefonaten ist die Spontanität“, erklärt Marco Schneider. „Man muss direkt antworten, kann nicht lange über die Antworten nachdenken oder vorab planen, was man erwidert. Das erhöht die Sorge, unvorbereitet zu wirken. Zudem gibt es auch keine visuellen Hinweise, weil die Körpersprache und Mimik fehlen.“

Durch die sozialen Medien wird zudem eine Art Perfektionismus geschaffen. Dieser beeinflusst die User immens. Diese Perfektion kann bei einem spontanen Gespräch jedoch meist nicht aufrechterhalten werden.

Mangelnde Übung

Nicht nur Jugendliche sind von der Telefonphobie betroffen, sondern auch Erwachsene. Dies hat oft auch mit der Notwendigkeit zu tun, im Beruf zu telefonieren. Sollte jemand beispielsweise arbeitssuchend sein oder längere Zeit arbeitslos, fehlt die Gewohnheit. Dadurch kann sich eine zunehmende Unsicherheit entwickeln. Umso mehr du Telefonaten aus dem Weg gehst, desto stärker verlierst du die Übung darin.

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So über­windest du deine Angst vor dem Telefonieren

Wie kannst du deine Telefonangst loswerden und deine Phobie vielleicht sogar überwinden? Experte Marco Schneider hat dafür ein paar Tipps:

  • Geh auf Konfrontationskurs:

    Wenn du merkst, dass du am Telefon zunehmend unsicher bist, konfrontiere dich mit deiner Angst und greife hin und wieder zum Hörer.

  • Übung macht den Meister:

    Versuche das Telefonieren bewusst zu üben. Starte mit Anrufen bei Freunden oder Familie und mache dir vorab Notizen. Je mehr du dich an die Anrufe gewöhnst, desto leichter fallen dir die Telefongespräche. Steigere dich dann langsam und rufe bei Restaurants, Arztpraxen oder Ämtern an.

  • Schriftliche Notizen:

    Schreibe dir vor dem Gespräch deinen Inhalt in Stichpunkten auf einen Zettel. Stelle dir grob die Situation vor und denke über die Punkte, die du besprechen willst, nach. Mache dir auch über mögliche Fragen, die auf dich zukommen könnten, Gedanken. So behältst du den roten Faden während des Gesprächs und kannst dich mental auf alle Punkte vorbereiten.

  • Positive Affirmationen:

    Spreche dir selbst Mut zu. Anstelle mit negativen Denkweisen wie „Ich werde mich blamieren“ an das Telefonat heranzugehen, solltest du dich selbst motivieren. Zum Beispiel mit Sätzen wie „Ich schaffe das“.

  • Begleitung durch Therapie:

    Du musst die Phobie nicht allein bewältigen. Suche dir Hilfe bei einer Therapeutin oder einem Therapeuten. Nach der Diagnose könnt ihr gemeinsam mit der kognitiven Verhaltenstherapie starten. Durch die Therapie bekommst du hilfreiche Werkzeuge an die Hand.

Experte Marco Schneider im Portrait

++ Expertentipp ++

Psychotherapeut Marco Schneider empfiehlt auch Übungen, die jedoch nur unter therapeutischer Begleitung durchgeführt werden sollten, beispielsweise sogenannte "Shame-Attack-Übungen“. Dabei konfrontiert man sich aktiv mit dem eigenen Schamgefühl. Betroffene führen ungewöhnliche Telefonate, beispielsweise einen Anruf bei einer Hotline. Dabei stellst du peinliche Fragen. Oder du rufst bei einer beliebigen Firma an und fragst beispielsweise, ob diese Dinosaurier verkaufen. Natürlich sollen diese Anrufe niemanden schädigen oder nerven. Hier geht es darum, dass du Erfahrung sammelst, indem du dich in peinliche Gespräche verwickelst. So erhältst du nach dieser Übung die Erkenntnis: „Selbst, wenn es peinlich ist, überlebe ich das“, erklärt der Psychologe.

Du siehst also, selbst wenn du dich am Telefon verhaspeln solltest oder du den Faden verlierst, wird die Welt davon nicht untergehen. Mit der Angst vor dem Telefonieren bist du nicht alleine. Zwar besitzen nahezu alle Jugendliche mittlerweile ein Smartphone, aber nur die Hälfte nutzt es, um damit regelmäßig zu telefonieren.

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IKK classic

Veröffentlicht am 07.02.2025

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