Arzt mit Patientin im Gespräch

IGeL-Leistungen in der Arztpraxis: Wie sinnvoll oder unnötig sind sie?

Den meisten von uns sind sie beim Arztbesuch schon einmal begegnet: sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) oder auch Selbstzahler-Leistungen. Doch welche davon sind sinnvoll und warum werden die Kosten nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen? Wir haben mit einer Expertin gesprochen und klären über die oft umstrittenen Zusatzleistungen auf.

Sie sind aus dem medizinischen Kontext kaum mehr wegzudenken: Viele ärztliche Fachpersonen, auch Psychotherapeut:innen und Zahnärzt:innen bieten sie uns während der Behandlung an, sie werden auf Aufstellern in der Praxis beworben, zieren Prospekte oder laufen im Wartezimmer-Fernsehen – sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (kurz: IGeL). Hierbei handelt es sich um Untersuchungs- und Behandlungsverfahren oder auch Beratungen, die nicht im gesetzlichen Leistungskatalog enthalten sind.

Bekommt man eine solche Leistung angeboten, ist es wichtig, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Man sollte sich genug Informationen einholen und genau nachforschen, was einem da eigentlich angepriesen wird.

Was sind IGeL-Leistungen?

„Es gibt ein breites Spektrum an IGeL. Diese reichen von der Bestimmung einzelner Blutwerte bis hin zu aufwendigen Behandlungsverfahren“, erklärt Expertin Michaela Eikermann. Sie ist Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin im Medizinischen Dienst Bund und Vorsitzende des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin.

Es kämen immer neue IGeL hinzu, außerdem ändern sich Angebot und Nachfrage laut Eikermann im Laufe der Zeit. Eine fixe, langfristig allgemeingültige Liste des gesamten Spektrums gibt es daher nicht.

Während der Corona-Pandemie sind zum Beispiel neue IGeL entstanden. Dazu gehören Antikörpertests auf das Coronavirus oder auch bestimmte Therapieverfahren bei Long Covid. Auch bestehende IGeL wurden vermehrt in Anspruch genommen, wie beispielsweise Vitaminbestimmungen.

Die zehn wichtigsten IGeL-Leistungen

Laut einer Umfrage des vom Medizinischen Dienst Bund betriebenen IGeL-Monitors sind das die zehn am häufigsten angebotenen oder nachgefragten Leistungen:

  • Ultraschall (transvaginal) der Gebärmutter und/oder der Eierstöcke

  • Augeninnendruckmessung mit oder ohne Augenspiegelung zur Glaukom-Früherkennung

  • Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs (Dünnschichtzytologie)

  • PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostatakrebs

  • Hautkrebsscreening außerhalb der gesetzlichen Hautkrebsvorsorge, ggf. computergestützt

  • Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung

  • Blutbild zur Gesundheitsvorsorge

  • zusätzliche Ultraschall-Untersuchung während der Schwangerschaft

  • Netzhaut-Untersuchung mit Laser zur Glaukom-Früherkennung

  • Netzhaut-Untersuchung mit Laser zur Früherkennung einer Makuladegeneration

Weitere wissenschaftlich fundierte Informationen bietet der

IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund

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IGeL: Was ist sinvoll?

Um herauszufinden, ob eine IGeL sinnvoll ist, sollten Versicherte sich genug Zeit nehmen, um abzuwägen. Eikermann rät: „Zunächst würde ich immer nachhaken, warum mir diese Leistung angeboten wird, was sie mir bringen soll und welche Kassenleistung es denn als Alternative gibt.“

Außerdem empfiehlt die Expertin, nach Studien zu fragen, die aufzeigen, welchen Nutzen und welche eventuellen Schäden das Angebot mit sich bringt. Es sollte immer eine sachliche Beratung stattfinden, so Eikermann. Die IGeL sollte nicht offensiv beworben und besser dargestellt werden als eine entsprechende Kassenleistung. 

„Entscheidend ist, dass im Zuge dieses Aufklärungsgesprächs die Patientinnen und Patienten nicht zeitlich oder persönlich unter Druck gesetzt werden“, erklärt Eikermann. Es komme immer wieder vor, dass den Menschen suggeriert wird, nur wenn sie diese IGeL kaufen, tun sie wirklich das Beste für ihre Gesundheit. Eikermann betont: „Eine solche Beratung ist unlauter.“

Nicht alle Individuellen Gesundheitsleistungen machen Sinn. Viele werden laut Eikermann beispielsweise im Bereich Früherkennung angeboten. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass es gar nicht in jedem Fall etwas bringt, ohne Grund eine Untersuchung durchzuführen.“ Der Nutzen müsse immer in Studien gezeigt werden. Nicht jede frühe Diagnose oder Therapie verbessert automatisch die Chance auf ein längeres Leben oder die Lebensqualität. 

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Mit welchen Kosten muss ich rechnen?

Für Individuelle Gesundheitsleistungen gibt es keine festen Preise. Die Preisspannen reichen von geringen Selbstzahler-Leistungen unter zehn Euro, zum Beispiel für die Bestimmung eines einzelnen Blutwerts, bis hin zu fünfstelligen Summen, etwa in der Schönheitschirurgie. 

Die tatsächlichen Kosten hängen vom Aufwand und von der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte (GOÄ) ab. Der sogenannte GOÄ-Steigerungsfaktor darf bei ärztlichen Leistungen gemäß § 5 Abs. 1 GOÄ zwischen 1,0 und 2,3 liegen. Ein höherer Steigerungsfaktor bis zum 3,5-fachen Satz ist mit einer für die Patientinnen und Patienten nachvollziehbaren Begründung möglich. Unter bestimmten Bedingungen können auch darüber hinausgehende Honorarvereinbarungen getroffen werden.

Vor der Behandlung sollte ein Vertrag zwischen dem Patienten oder der Patientin und der Ärztin oder dem Arzt geschlossen werden. Außerdem sind ein Kostenvoranschlag und eine Rechnung Pflicht. Sollten diese nicht von selbst ausgehändigt werden, sollten Patientinnen und Patienten in jedem Fall einfordern, über die möglichen Kosten schriftlich informiert zu werden.

„Der IGeL-Monitor hat 15 Regeln zusammengestellt, die beachtet werden müssen, wenn Ärztinnen und Ärzte IGeL anbieten. Sie geben eine gute Orientierung, was im IGeL-Markt erlaubt ist und was nicht“, so Eikermann.

Auch der IGeL-Podcast, der Gesundheits-Podcast des IGeL-Monitors, bietet umfangreiche Hintergrundinformationen über Gesundheitsleistungen und thematisiert Geld, Medizin oder Rechte von Patientinnen und Patienten.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

IGeL zählen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und müssen deshalb in der Regel von den Versicherten selbst gezahlt werden. Entsprechend dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) müssen Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Eine Ausnahme ist die Professionelle Zahnreinigung (PZR), die die IKK classic als Satzungsleistung bezuschusst.

Außerdem dürfen sie das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. IGeL können zum Beispiel auch Atteste oder Reiseberatungen und -impfungen umfassen, die per Gesetz nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Darüber hinaus handelt es sich bei vielen IGeL um Leistungen, deren Nutzen bisher nicht in aussagekräftigen Studien gezeigt werden konnte.

Welche medizinischen Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf Basis der aktuellen Studienlage. Soll eine neue Leistung aufgenommen werden, muss darin ihre Wirksamkeit oder ihr Zusatznutzen nachgewiesen werden. Beschließt der G-BA neue Richtlinien, sind diese für alle Akteure der gesetzlichen Krankenversicherung bindend. So möchte man vermeiden, dass unwirksame oder gar schädliche Untersuchungen und Behandlungen angewendet werden.

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Was tun, wenn ich mich beim Arzt schlecht beraten fühle?

Den Überblick zu behalten, ist also gar nicht so einfach. Als Patientin oder Patient ist man daher schnell überfordert, wenn einem eine IGeL angeboten wird. Manche Menschen fühlen sich von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin sogar unter Druck gesetzt – obwohl Regeln wie eine transparente Aufklärung und Bedenkzeit für alle medizinischen Maßnahmen gelten.

„Warum dies nicht immer eingehalten wird, wissen wir nicht. Es kann daran liegen, dass viele Ärztinnen und Ärzte sehr überzeugt davon sind, dass IGeL notwendig sind und sie nur so eine gute Versorgung leisten“, vermutet Michaela Eikermann. Es könnte aber ebenso sein, so die Expertin, dass wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen. Oder eine Kombination aus beidem. 

„Aus unseren Befragungen wissen wir aber, dass der überwiegende Teil der Menschen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin sehr zufrieden sind. Außerdem bekommen wir gespiegelt, dass die Praxen durchaus unterschiedlich mit IGeL umgehen“, berichtet Eikermann.

Es gebe Praxen, die aus Prinzip überhaupt keine solchen Leistungen anbieten – reisemedizinische Beratung, Reiseimpfung, sportmedizinische Gutachten oder Ähnliches ausgenommen. Eikermann: „Andere Praxen hingegen gehen sehr offensiv mit IGeL um und machen im schlimmsten Fall die Terminvergaben vom Kauf einer Selbstzahlerleistung abhängig.“

Die Expertin empfiehlt: Wenn man sich schlecht beraten oder behandelt fühlt, sollte man das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin suchen und offen ansprechen, warum man sich unwohl fühlt. Sollte das keine Klärung bringen und sich über die Frage "IGeL oder nicht?" ein Konflikt entwickeln, bleibt immer die Möglichkeit, die Praxis zu wechseln.

Alternative Heilmethoden

Immer mehr Menschen suchen nach Alternativen zur klassischen Schulmedizin und chemisch hergestellten Medikamenten. Wir übernehmen für einige der bekanntesten ergänzenden Behandlungsmethoden die Kosten.

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