Wenn man Melissa Ruiz-Lopez so zuhört, wie sie über Haare spricht, dann spürt man schnell die Begeisterung, die sie für ihren Beruf als Friseurin aufbringt. Sie finde es "einfach faszinierend, was man alles so aus Haaren machen kann", berichtet die zierliche Frau aus dem nordhessischen Willingshausen. Auf dem Weg zu ihrem Traumberuf als Friseurin hat sich Melissa Ruiz-Lopez auch nicht von einer 70-prozentigen Behinderung – betroffen sind ihre Ohren und Augen – abbringen lassen. Im Gegenteil.
Menschen mit Behinderung haben es nicht immer leicht – im Alltag, aber auch auf dem Arbeitsmarkt stehen sie vor besonderen Herausforderungen. Doch es gibt viele Beispiele für gelungene Inklusion. Eines davon findet man im Friseursalon CC-Cut in Hessen.
Chef Carsten Ciemer als Rückhalt
2014 begann sie ihre Ausbildung im Friseursalon CC-Cut von Carsten Ciemer, seit 2017 ist sie dort als Friseurin fest angestellt. Wie sie das geschafft hat? "Ich glaube, man braucht viel Selbstbewusstsein und den Mut, für seinen Traum zu kämpfen. Nur weil man eine Behinderung hat, heißt es nicht, dass man das nicht schaffen kann", sagt die Friseurin, die seit Anfang des Jahres in Babypause ist. Deshalb habe sie sich auch nicht von dem einen oder anderen dummen Kundenspruch verunsichern lassen, wenn sie am Anfang mal etwas länger für eine Aufgabe brauchte oder am Telefon nicht alles sofort verstand. Wichtig sei die Unterstützung durch ihre Familie gewesen, die stets ein starker Rückhalt für sie war.
Immer an sie geglaubt hat ihr Chef Carsten Ciemer, Friseurmeister und Geschäftsführer von CC-Cut. Ciemer erzählt, dass er das Potenzial seiner Angestellten schon während ihres ersten Praktikums erkannt habe. Aber er hatte anfangs noch Zweifel, ob diese zarte Frau mit einer Körpergröße von gerade mal 1,50 Meter für die körperlichen Anstrengungen, vor allem das stundenlange Stehen, gemacht war. Überzeugt habe ihn am Ende die Beharrlichkeit seiner Angestellten, die eines Tages einfach mit einer Tauglichkeitsbescheinigung für den Friseurberuf vor der Tür stand.
Ungleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Und bis heute hat Carsten Ciemer seine Entscheidung, Melissa Ruiz-Lopez eine Chance zu geben, kein einziges Mal bereut – im Gegenteil: "Ich wollte meinen Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass man keine Angst davor haben sollte, Menschen mit Behinderung einzustellen. Was uns Melissa nach der Lehre zurückgegeben hat, müssen viele Nichtbehinderte erst einmal leisten – dafür bin ich dankbar."
Ciemer, der 2017 mit dem "Landespreis für beispielhafte Beschäftigung und Integration schwerbehinderter Menschen" ausgezeichnet wurde, hat einen Wunsch: Dass möglichst viele Betriebe seinem Beispiel folgen. Denn Menschen mit Behinderung sind auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor unterrepräsentiert. Wie eine 2020 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Studie zeigt, sind sie nur zu rund einem Drittel berufstätig. Zum Vergleich: Von den Menschen ohne Behinderung waren 65 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert. Wie das Beispiel von Melissa Ruiz-Lopez und Carsten Ciemer zeigt, lohnt es sich, an das Potenzial von Menschen mit Behinderung zu glauben und Vorurteile ihnen gegenüber abzubauen. Nur dann kann sich etwas ändern.