Warum zu viel Porno-Konsum deine Sexualität beeinflussen kann

Redaktion
IKK classic

Sie sind heute jederzeit verfügbar: Pornos im Internet. Im IKK classic-Podcast „Erwachsen werden? Lass machen.“ erfährst du mehr über „Pornosucht“. Wie übermäßiger Porno-Konsum dein Sexualverhalten verändern kann und weshalb Erektionsstörungen sowie negative Auswirken auf die Partnerschaft möglich sind, erklären wir dir hier.

Wenn du im Internet ab und an mal ein pornografisches Video anklickst, brauchst du dich dafür nicht zu schämen. Dass dabei volljährige Menschen zu sehen sein sollten, die sich freiwillig für die Aufnahme entschieden haben, versteht sich von selbst. Lust ist etwas ganz Natürliches, ebenso wie Selbstbefriedigung. Vielleicht schaust du Pornos zusammen mit deiner Partnerin oder deinem Partner als Anregung und Inspiration – das ist völlig in Ordnung. Es gibt jedoch mehrere Gründe, warum du deinen Porno-Konsum gut im Blick behalten solltest.

In Folge #21 des IKK classic-Podcasts „Erwachsen werden? Lass machen.“ sprechen Psychologin Vivi und Moderator Marco über „Pornosucht“, wie sie entsteht und welche Wege aus ihr herausführen können. Zu Gast ist auch Lee Dreyer, der süchtig nach Pornos war, davon berichtet, wie er sich gefühlt hat und Tipps für Betroffene gibt. Hör gerne rein, wenn dich das Thema interessiert! In diesem Beitrag hier kannst du einen Pornosucht-Selbsttest machen und du erfährst, wie sich übermäßiger Konsum von Pornos auf dein Sexualverhalten und deine Beziehungen auswirken kann:

Was passiert im Gehirn, wenn wir Pornos sehen?

Pornografische Videos wirken auf viele Menschen reizvoll. Warum ist das so? „Beim Schauen von Pornografie wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert, insbesondere durch die Ausschüttung von Dopamin, was Lust und Erregung steigert. Gleichzeitig werden Endorphine freigesetzt, die ein Gefühl von Zufriedenheit und Entspannung fördern. Serotonin sorgt nach der Erregung für Beruhigung“, erklärt Julia Henchen, systemische Sexual- und Paartherapeutin.

Sowohl Nahrung als auch Sex gelten als die stärksten Aktivatoren unseres Lustzentrums, denn sie sorgen dafür, dass die oben genannten Glücksgefühle ausgeschüttet werden. Nur Kokain oder Heroin wirken noch intensiver. Beim übermäßigen Konsum von pornografischen Videos können sich die Rezeptoren in deinem Gehirn verändern, indem sie weniger sensibel werden und daher immer mehr Dopamin brauchen. Ähnlich wie bei einer Alkoholgewöhnung wird hier der Grundstein für eine Sucht gelegt.

Erwachsen werden? Lass machen! Der Coming of Age Podcast der IKK classic

Unsere Podcast-Hosts Viviane Hähne und Marco Sergio Gabriel nehmen euch mit auf eine Reise durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Sie sprechen alle drei Wochen ganz offen über Dinge, die sonst selten zur Sprache kommen. Denn beide wissen: Erwachsenwerden ist für fast alle eine Herausforderung – und manchmal braucht es ein paar Tipps, um diese zu meistern.

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Wie entsteht eine Pornosucht?

Was anfänglich ein kleiner Kick war, kann einem langfristig entgleiten: „Der Belohnungseffekt verstärkt das Verlangen nach wiederholtem Konsum, da das Gehirn lernt, dass Pornografie ein schneller Weg zur Befriedigung ist. Mit der Zeit kann es zu einer Toleranzentwicklung kommen, ähnlich wie bei Substanzabhängigkeiten. Das bedeutet, dass immer stärkere oder intensivere Reize benötigt werden, um das gleiche Maß an Erregung und Belohnung zu erfahren. Das führt dazu, dass Betroffene immer häufiger und länger Pornos konsumieren, um das Dopamin-Level hochzuhalten“, beschreibt Expertin Julia Henchen den Weg in die Pornosucht.

In Deutschland sind Schätzungen zufolge rund 500.000 Menschen pornosüchtig, die Dunkelziffer ist bedeutend höher. Pornosucht ist eine psychische Diagnose und steht unter dem Begriff „Zwanghaftes Sexualverhalten“ in der ICD-11, einer internationalen Klassifikation von Krankheiten.

Selbsttest: Bin ich pornosüchtig?

Für eine erste Einschätzung kannst du hier überprüfen, ob folgende Verhaltensweisen bei dir zutreffen:

  • Deine Gedanken kreisen den ganzen Tag um Sex und pornografische Filme und du hast ein übermäßiges Verlangen danach.

  • Um Befriedigung zu erlangen, musst du immer häufiger und immer länger Pornos schauen.

  • Du wählst stetig härtere Reize und Inhalte, um etwas empfinden zu können.

  • In der Schule oder bei der Arbeit kannst du dich nicht mehr konzentrieren.

  • Du vernachlässigst deinen Freundeskreis und ziehst dich zurück, um Pornos zu schauen.

  • Der sexuelle Reiz von pornografischen Inhalten erregt dich mittlerweile stärker als Sex in der Realität.

  • Du hast versucht, keine Pornos mehr zu sehen, schaffst es aber nicht.

  • Wenn du keine pornografischen Videos schauen kannst, spürst du Entzugssymptome wie Ungeduld, Aggression, Nervosität, Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten.

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Als Behandlung von Pornosucht empfiehlt sich eine Psycho- und/oder Sexualtherapie. Denn nicht selten stecken hinter der Sucht ganz andere Probleme, die zu dem Zwangsverhalten führen.

So wirken sich Pornos auf dein Sexualverhalten und deine Körperfunktionen aus

Er muss nicht immer gleich in die Sucht führen, doch „übermäßiger Pornokonsum kann das sexuelle Verhalten und auch die Körperfunktionen beeinflussen. Zum Beispiel können Erektions- oder Orgasmusprobleme auftreten, wenn eine Person beim Schauen von Pornos das Herauszögern des Höhepunkts praktiziert, indem sie die Filme ständig wechselt. Dieses Verhalten kann das Gehirn darauf konditionieren, immer stärkere Reize zu benötigen, um überhaupt zum Orgasmus zu kommen, was in realen sexuellen Situationen zu Schwierigkeiten führen kann“, so Julia Henchen.

Die Sexualtherapeutin führt weiter aus, dass „visuelle Reize in Pornos intensiver wahrgenommen werden können, beispielsweise durch extreme Nahaufnahmen auf Genitalien. In der Realität sind solche Perspektiven schwer umzusetzen, was die sexuelle Erregung beeinträchtigen kann. Zudem kann das Bedürfnis nach immer extremeren Inhalten entstehen, weil die natürlichen Berührungen und die Intimität mit einer realen Person als weniger stimulierend empfunden werden. Wenn man selbst zum Beispiel starken Druck auf den Penis oder die Vulva ausübt und beim Sex mit einer Person dieser Druck fehlt.“

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Welche Wirkung können Pornos auf eine Beziehung haben?

Kommt es aufgrund von hohem Pornokonsum zu veränderten sexuellen Erwartungen und Vorlieben oder gar zu einer Pornosucht, kann das starke Auswirkungen auf die Beziehungsdynamik und Intimität eines Paares haben:

  • Das Selbstbild und auch das Aussehen der Partnerin oder des Partners kann als negativ wahrgenommen werden, denn in Pornos sind oftmals Menschen mit vermeintlich perfekten Körpern zu sehen.

  • Die eigene Potenz oder Lust kann infrage gestellt werden – im Vergleich zu den stets potenten Männern und lustvollen Frauen in pornografischen Videos.

  • Sexuelle Unlust, die aus übermäßigem Schauen von Pornos resultiert, kann die Partnerin oder den Partner stark verunsichern.

  • Aufgrund der hohen Reiztoleranz und „harten“ Inhalte in Pornos kann es sein, dass bei der Partnerin oder dem Partner bei realen sexuellen Praktiken Grenzen überschritten werden.

  • Julia Henchen ergänzt: „Es kann auch sein, dass echte körperliche Nähe auf die betroffene Person überfordernd wirkt, da reale Berührungen intensiver und emotionaler sind. Ich rate in diesen Fällen zu Kommunikation oder auch zu einer Paartherapie.“

Doch Pornos können für eine Beziehung auch positiv sein: „Es kann dazu führen, dass die Sexualität neu entdeckt wird. Pornos sind nicht per se schlecht, sondern es kommt wie bei allem darauf an, wie wir sie nutzen und wie wir damit umgehen. Pornos sind in erster Linie zur Unterhaltung gedacht. Es sind keine Dokumentationen, sondern Actionfilme“, so die Sexualexpertin.

Brauche ich Pornos wirklich?

Hinterfrage dich und dein Verhalten am besten immer wieder selbst:

  • Ist es nötig, jetzt einen Porno zu schauen?

  • Warum brauche ich diesen Reiz gerade?

  • Steht dahinter ein anderes Problem, das ich verdrängen möchte? Wenn ja, wie kann ich dieses Problem lösen?

  • Wenn du Pornos zum Stressabbau oder zur Entspannung brauchst, kannst du stattdessen andere Methoden wählen, wie Sport, Treffen mit Freunden, Saunabesuche oder was dir sonst noch Freude bereitet.

  • Frage dich, ob es nicht schöner ist, sich auf ein lustvolles Treffen in der Realität zu verabreden – hier gilt natürlich: immer an Safer Sex denken!

  • Hol dir Hilfe bei Psycho- oder Sexualtherapeuten, wenn du Unterstützung brauchst.

Adressen für Betroffene

  • Safersurfing

    Der Verein Safersurfing besteht seit 2006 und hilft Menschen, sich vor den Gefahren der Internetpornografie zu schützen. Außerdem zeigt er Wege auf, aus einer Abhängigkeit wieder raus zu kommen.

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  • Weißes Kreuz

    Das Weiße Kreuz e. V. bietet Bildung und Beratung zu Themen rund um Paarbeziehungen und Sexualität. Es gibt Hilfestellungen bei Internet-Sexsucht in Form von Online-Kursen oder Gesprächen mit Beraterinnen bzw. Beratern.

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  • Anonyme Sexaholiker

    Sie sind eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die miteinander ihre Erfahrung teilen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen und anderen zur Genesung zu verhelfen. Es fallen keine Mitgliedsbeiträge an.

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  • X-Freiheit

    Das Team von "Frei von X" verhilft Männern zu einem Leben ohne Pornografie und zwanghafte sexuelle Gedanken. Alle Team-Mitglieder bringen ihre eigenen Erfahrungen aus der Sucht nach Pornografie mit. Das Erstgespräch ist kostenfrei.

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  • Zentrum für Verhaltenssucht: Für Angehörige von Personen mit Verhaltenssüchten

    Hier wird sowohl Betroffenen von Verhaltenssüchten wie Pornografiesucht, als auch Angehörigen von Suchterkrankten Hilfe angeboten. Etwa mit einer anonymen Online-Beratung.

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IKK classic

Veröffentlicht am 26.09.2024

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