Mann mit geschlossenen Augen meditiert zwischen Pflanzen

Leben mit Depression – was Betroffenen hilft

Selbsthilfegruppen gelten als besonders effektive Ergänzung zu einer Therapie, denn im Austausch mit anderen Betroffenen ist niemand mit seinen Gedanken und Symptomen allein. Wir haben mit Erkrankten gesprochen, die wertvolle Anregungen geben, wie sie persönlich mit ihrer Depression umgehen.

Mit Meditation und Achtsamkeits-Training gegen Depressionen

Peter*, 48 Jahre, hat aus zweierlei Perspektiven Erfahrungen mit Depressionen. Als Betroffener, aber auch als Partner seiner betroffenen Ehefrau. Er selbst bekam die Wucht negativer Gedanken nach einem Wechsel in einen verantwortungsvollen Traumjob zu spüren. „Mein selbstzerstörerisches Kopfradio ließ sich nicht mehr abstellen. Ich konnte eine Woche am Stück nicht schlafen – keine Minute.“

Während einer Therapie brachte ihn eine Therapeutin auf das Thema Achtsamkeit. Später begann er mit Meditation, die ihm dabei half, nicht wieder depressiv zu werden. Bis heute meditiert er regelmäßig, für ihn ist das wie „geistiges Zähneputzen“.

„Ich habe durch Meditation gelernt, meine Gedanken besser zu kontrollieren und Stopp zu sagen, wenn das Gedankenkarrussel beginnt.“ Das zu können, sei gerade in Ruhe-Phasen sehr wichtig, etwa beim Einschlafen, denn dann nehmen die Gedanken erfahrungsgemäß leicht überhand. „Meditation ist für mich auch ein Aussteigen aus dem Leistungsmodus. Für diese Erholung muss ich nicht an einen 3.000 Kilometer entfernten Strand fliegen. Ich habe das in mir.“

Sein Tipp – eine kleine Mediationsübung: Einatmen – Ausatmen – Einatmen – Ausatmen und bei jedem Ausatmen bis zehn zählen – dann von vorne beginnen. Verzählt man sich, einfach wieder bei eins beginnen.

„Es gibt diesen Knopf, der das ewige Kopfradio ausschaltet.“
Peter

Die Erfahrung einer depressiven Phase teilt Peter mit seiner chronisch depressiven Ehefrau. Er erfuhr, dass es nichts nützt, den anderen mit Ratschlägen zu überziehen. Man kann ein offenes Ohr haben, mitfühlen und dabei idealerweise nicht mitleiden. Doch man muss sein eigenes Leben weiterleben, ohne selbst unter der Last krank zu werden. Dazu gehört es auch, auszusprechen, wenn man sich überfordert fühlt und sich professionelle Hilfe wünscht – ein heikler Punkt, weiß Peter.

Denn Depressionen können die Partnerschaft sehr belasten. „Man muss erstmal unterscheiden lernen: Was sind Partnerschaftsprobleme und was Symptome der Erkrankung.“ Schwierig sei es auch, nicht persönlich zu nehmen, wenn sich der Partner zurückziehe oder abwende, erzählt er.
Zudem verändere der Einfluss von Psychopharmaka die Partnerschaft. Als Angehöriger wünscht er sich daher vor allem eines: mehr professionelle Unterstützung für sich als Partner, mehr Einbezogen-Werden in die Therapie. Der Austausch in speziellen Selbsthilfegruppen, die es für Angehörige von Menschen mit Depressionen gibt, war für Peter kein passendes Angebot. 

Das Leben mit der Depression meistern

Zunehmender Leistungsdruck, ein plötzlicher Schicksalsschlag und ständige Erreichbarkeit – das sind nur einige der vielen Faktoren, die sich negativ auf die Psyche auswirken können. In unserem Video erzählen zwei Betroffene, wie ihre Depression zustande kam, wie sie ihre psychische Erkrankung erkannt haben und einen Weg fanden, damit umzugehen.

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Betroffene sollten Hilfe in Anspruch nehmen

Sophia*, 30, kann gut nachvollziehen, dass es Überwindung kostet, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Selbst als sie nach drei Jahren mit Symptomen einer Depression an den Punkt kam, an dem es überhaupt nicht mehr weiterging, dachte sie nach ihrer Diagnose noch: „Vielleicht übertreibe ich ja.“

Dass sich das Leben viel schöner anfühlen kann, als in dieser Zeit und dass es nicht normal war, was sie damals durchmachte, erkennt sie erst rückblickend ganz klar. Darum rät sie allen Betroffenen, sich Hilfe zu holen und in Anspruch zu nehmen oder notfalls andere Menschen zu bitten, sich darum zu kümmern.  

Noch etwas weiß sie jetzt: „Oft denken wir, wir haben keine Wahl und müssen auf eine bestimmte Art handeln – an einem bestimmten Ort leben, Überstunden machen, die Erwartungen anderer Menschen erfüllen. Natürlich haben Dinge, die wir tun oder nicht tun, Konsequenzen, aber wir müssen die wenigsten Dinge wirklich tun. Wir können entscheiden, ob wir es wollen.“
 

„Es hilft, wenn ich mir immer wieder klarmache, dass ich selbst über mich und mein Leben bestimme.“
Sophia

Depression: erkennen und behandeln

Eine Depression ist eine ernste Erkrankung. Die IKK classic steht Ihnen sowohl präventiv als auch unterstützend zur Seite. Sie fragen sich, ob Sie an einer Depression leiden? Wir geben Ihnen einen Überblick über Symptome, Ursachen, Depressionsarten und Möglichkeiten der Behandlung, plus Tipps für Angehörige und Adressen für den Notfall. Mehr über Depression

Depressionen mit Sport bekämpfen

Christian*, 55 Jahre, hat folgende Einstellung: „Depression ist eine bleibende Krankheit, ein Teil meines Lebens und meiner Persönlichkeit. Auch wenn ich gerade nicht depressiv bin. Das heißt für mich: Depression ist nicht wie ein Beinbruch, der irgendwann überwunden ist. Sie bleibt. Die Rückfallquote ist extrem hoch. Die Folge ist, dass ich vielleicht nicht jeden Tag, aber doch mehrfach in der Woche aktiv mit meiner Depression umgehe.

Einerseits Selbstwahrnehmung und Selbstreflektion – zum Beispiel in meiner Selbsthilfegruppe und meiner ambulanten Therapie, die ich weiter mache. Andererseits Prophylaxe – etwa durch Sport oder bewusstes Essen. Wichtig ist auch viel sozialer Kontakt und gleichzeitig genug Zeit für mich allein.

Fazit: Ich lebe mit dem Bewusstsein, dass sich meine mühsam erlernten Skills ganz schnell wieder ausschleichen, wenn ich nicht bewusst darauf achte. Die eingesetzten Skills ändern sich von Zeit zu Zeit – aber ich bleibe dran. Inzwischen seit viereinhalb Jahren.

Depression ist eine Krankheit, für die ich nichts kann und für die ich mich nicht schämen muss. Für einen Beinbruch oder Bluthochdruck schämt sich auch niemand. Deshalb rede ich darüber. Nicht mit jedem, aber ich verheimliche es nicht. Manchmal treffe ich auf Unverständnis. Aber eher selten.

Meist treffe ich auf Menschen, die wenig über Depression wissen und sich freuen, wenn sie davon mehr erfahren, weil jemand mit ihnen darüber redet. Denn einen Betroffenen zu fragen, fällt ihnen nicht immer leicht. Ganz oft erfahre ich Unterstützung und Verständnis.

Auf dem Weg zu gesellschaftlicher Akzeptanz von Depression ist viel passiert – und doch liegt noch ein Weg vor uns. Mit sich selbst als Betroffenem ehrlich umzugehen, fördert diese Akzeptanz. Und sie fördert meine Akzeptanz mir selbst gegenüber.

Es hilft, gegen Schuldgefühle, Scham und das Gefühl der Wertlosigkeit anzugehen. Ich habe mich inzwischen als Business Coach selbständig gemacht. Weil ich gesund arbeiten und auch, weil ich meine Erfahrungen anderen zur Verfügung stellen möchte.“

„Ich lebe mit dem Bewusstsein, dass ich ein Leben lang auf meine erlernten Selbtshilfemethoden achten muss.“
Christian

Zuzahlungsbefreiung für chronisch Kranke

Zuzahlungen für Medikamente und Leistungen sollten niemanden allzu sehr belasten. Deshalb müssen Versicherte von gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr als zwei Prozent ihres jährlichen Bruttoeinkommens zuzahlen. Für Versicherte mit chronischen Erkrankungen ist die Zuzahlung sogar noch niedriger. Mehr über Zuzahlungen für Chroniker

Regelmäßige Bewegung und Spazierengehen als Therapie

Lena*, 41 Jahre, entwickelte für sich ein Frühwarnsystem für depressive Phasen, das wie eine Ampel funktioniert. „Für jede Phase habe ich erarbeitet, was ich fühle und denke, wie mein Körper reagiert und wie ich mich in solchen Situationen verhalte. So erkenne ich meine Frühwarnsymptome und kann rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten.“

In ihren depressiven Phasen ist starkes Schwarz-Weiß-Denken für sie typisch: „In meinen Gedanken gibt es dann keinen Graubereich mehr. Ich kann nichts. Keiner mag mich. Alles ist ermüdend. Selbstkritik, Selbstabwertung, Selbstzweifel beherrschen meinen Alltag.“

In einer solchen Phase angekommen, ist es schwierig für sie, sich daraus wieder zu befreien. Viele Therapiesitzungen und regelmäßige Bewegung sind für sie dann notwendig, etwa Yoga oder Spazierengehen. „Ich habe inzwischen gelernt, dass Bewegung für mein Wohlbefinden mindestens genauso wichtig ist wie die Psychotherapie selbst.“

Doch aktiv zu werden, ist ausgerechnet in diesen Momenten besonders anstrengend. Für die Frühwarnung hilft ihr das Ampel-System, mit dem sie feststellen kann, ob sie sich im Bereich niedriger Anspannung (Grün), mittlerer (Gelb) oder hoher Belastung (Rot) befindet.

„Bewegung hilft mir, doch selbst Spazierengehen fordert meine letzten Energiereserven.“
Lena

Wochenbettdepression: Therapie, die helfen kann

Anna*, 35 Jahre, hatte sich schon vor der Geburt ihrer Tochter auf eine Wochenbett-Depression vorbereitet. Denn bereits vor der Schwangerschaft hatte sie depressive Phasen in Folge eines Traumas. Sie hat mehrfach Therapien gemacht und Medikamente genommen.

Nach der Geburt weinte sie viel und rutschte immer weiter in eine negative Gedankenspirale ab. „Ich bin eine schlechte Mutter, meinem Kind geht es besser ohne mich“ – solche Gedanken und die Angst etwas falsch zu machen, begleiteten sie durch den Tag. Die Idee, einfach ihre Sachen zu packen und zu gehen, wurden für sie immer realer. „Mit meiner Ehefrau habe ich schon vor der Geburt besprochen, wie sie auf solche Anzeichen reagieren soll“, erzählt sie.

Über „Schatten & Licht e.V.“, eine deutschlandweite Initiative, die sich um psychische Erkrankungen bei Eltern nach der Geburt kümmert, fand ihre Partnerin schließlich eine gute Psychiaterin und Therapeutin für Anna. Sie machte es möglich, dass Anna ihre Tochter trotz der Einnahme von Psychopharmaka weiterhin stillen konnte.

Viel hat sie über sich gelernt und ihre Strategien entwickelt: „Heute weiß ich, dass ich mich in einer depressiven Phase auf keinen Fall krankmelden sollte. Denn die Arbeit gibt mir Halt.“

„Ich weiß, dass ich in der Arbeit funktioniere, und das gibt mir Halt.“
Anna

Online-Kurse: Stressbewältigung & Entspannung

Sind Sie gestresst, angespannt und fühlen sich unausgeglichen? Dann helfen Ihnen unsere Kurse rund um Stressbewältigung und Entspannung, in Ihrem Alltag abzuschalten und den Stress nicht an sich heranzulassen. Wir haben für jeden Entspannungstyp das passende Angebot. Zu den Online-Kursen

Atemübungen und Austausch mit anderen Betroffenen

Die Initiative „Schatten & Licht e.V.“ half auch Vanessa*, 34 Jahre, nach der Geburt ihres Sohnes weiter. Für sie wurden die Wochen und Monate nach der Geburt ganz unerwartet zu einem Kampf. „Ich war unglaublich erschöpft, konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen“, erzählt sie. Nach sechs Wochen bekam sie Panikattacken, konnte nicht mehr allein sein, das Haus nicht mehr verlassen. Zuerst mit Hilfe von Medikamenten, dann mit einer Verhaltenstherapie kämpfte sie sich ins Leben zurück.

„Ich habe mich verrückt gemacht mit meinem hohen Selbstanspruch. Ich wollte das perfekte 'Projekt Baby' machen,“ erkennt sie heute. Romantisierende Darstellungen von Mutterschaft in den Medien hätten noch verstärkend gewirkt. „Die Vorstellung, dass wir die Zeit mit Kind immer genießen müssen, wir immer glücklich sein sollten, die setzt uns unnötig unter Druck.“ 

Zur eigenen Intuition und zum Selbstvertrauen zurückzufinden sowie der ehrliche Austausch mit anderen Müttern, haben ihr schließlich aus der Depression geholfen. „Wenn ich heute am Wickeltisch stehe und spüre, dass meine Angst aufsteigt, dann spreche ich laut zu mir selbst. Auch Atemübungen helfen mir, in meinem Körper, im Hier und Jetzt zu bleiben und gedanklich nicht in furchtbare Zukunftsvorstellungen abzuschweifen.“

„Wir sollten uns nicht nur unser schönes Leben zeigen, uns nicht in die Tasche lügen.“
Vanessa

* Namen von der Redaktion geändert.

Wir danken allen Interviewpartnerinnen und -partnern für ihre Offenheit.

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