Burn-out-Syndrom: Wenn Körper und Geist nicht mehr können

Redaktion
IKK classic

Gestresst, erschöpft, demotiviert – nur eine schlechte Phase oder Burn-out? Fühlen Sie sich dauerhaft ausgebrannt, sollten Sie besonders achtsam sein. Denn hinter einem Burn-out kann auch eine Depression stecken. Und dann braucht es mehr als ein bisschen Urlaub und Erholung.

Grundsätzlich ist zu sagen: Ein Burn-out kann jeden treffen und es gibt verschiedenste Ursachen. Häufig betroffen sind Menschen, die viel Stress haben und sich von den hohen Anforderungen im Job, im eigenen Zuhause oder durch das soziale Umfeld überfordert fühlen. Man hat schlichtweg das Gefühl, den täglichen Aufgaben nicht mehr gewachsen zu sein.

„Meist wird von Burn-out gesprochen bei großer Erschöpfung, verbunden mit innerer Unruhe, Schlafstörungen, dem Gefühl der Überforderung und auch der emotionalen Überlastung“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Professor Ulrich Hegerl. Betroffene fühlen sich – wie es der Begriff Burn-out schon sagt – „ausgebrannt“ und nicht mehr in der Lage zu funktionieren.

Eine eindeutige Diagnose gibt es nicht

Aber: Eine international akzeptierte Diagnose und klare Diagnosekriterien gibt es nicht. Burn-out-Symptome seien laut Hegerl Symptome, die regelmäßig auch bei anderen psychischen Erkrankungen auftreten, zum Beispiel bei einer Depression: „Der einzige Vorteil ist, dass Burn-out weniger schlimm und eher nach Leistungsträger klingt als die Diagnose Depression. Deshalb trauen sich unter diesem Label mehr depressiv Erkrankte, sich Hilfe zu holen.“

Oft ist mit Burn-out-Syndrom „nur“ eine Erschöpfung wegen Überarbeitung gemeint. Versteckt sich aber eine nicht erkannte Depression dahinter, ist das irreführend und kann laut Ulrich Hegerl sogar gefährlich werden. Der Experte nennt ein Beispiel: Überforderungs- und Erschöpfungsgefühle treten bei jeder Depression auf und seien meist nicht Ursache, sondern Folge der Depression.

Hält man die Überforderung für die Ursache, dann wären Ausschlafen und Urlaub machen naheliegende Empfehlungen. Bei einer Depression sei langer Schlaf jedoch eher depressionsfördernd und Schlafentzug ein etabliertes Behandlungsverfahren. Auch sei dringend davon abzuraten, mit einer depressiven Erkrankung in den Urlaub zu fahren: „Die Depression reist mit, und der seelische Zustand wird in der fremden Umgebung als noch unerträglicher erlebt.“

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„Burn-out gilt in der Leistungsgesellschaft als akzeptiert“

Aber wieso werden Burn-out und Depression häufig in einen Topf geworfen? „Burn-out ist ein schwammiger Modebegriff, der zum Lebensgefühl vieler Menschen passt. Er gilt auch in der Leistungsgesellschaft als eher akzeptiert“, so Ulrich Hegerl. Ein depressiv Erkrankter fühle sich zwar auch erschöpft, es kämen aber weitere Krankheitszeichen hinzu. Eine Depression fühle sich auch ganz anders an als der Zustand bei chronischer Überforderung, Verlusterlebnissen oder anderen äußeren Belastungen.

Entscheidend sei die Veranlagung, die vererbt, aber auch durch Traumatisierungen und Missbrauchserfahrungen in der Kindheit erworben sein kann. Menschen mit dieser Veranlagung rutschen meist mehrfach in ihrem Leben in eine depressive Krankheitsphase, selbst wenn es ihnen von außen betrachtet eigentlich gut gehe. „Liegt eine Veranlagung vor, dann können äußere Belastungen als Auslöser wirken, wobei aber die Bedeutung solcher äußeren Faktoren von Laien meist überschätzt werden“, so Hegerl.

Welche Anzeichen deuten auf Burn-out hin?

Bestimmte Warnzeichen können auf ein Burn-out-Syndrom beziehungsweise eine Depression hinweisen. Es kann helfen, sich zu fragen:

  • Fühle ich mich ängstlich? Oder emotional leer?

  • Verliere ich die Kontrolle über meine Emotionen? Bin ich schnell gereizt oder gestresst von privaten Verabredungen, die eigentlich Spaß machen sollten?

  • Verliere ich den Überblick und fühle mich nicht mehr leistungsfähig?

  • Habe ich häufig das Gefühl, „nicht genug“ zu sein?

  • Habe ich dauerhaft Schlaf- und Konzentrationsprobleme?

  • Kränkle ich oft? Sind meine Muskeln stetig verspannt? Habe ich häufig körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Magenschmerzen?

  • Bringt selbst das Wochenende keine Erholung mehr?

  • Bin ich durchgehend erschöpft?

Sich einem solchen Selbsttest zu unterziehen kann helfen, die eigenen Gefühle einzuordnen. Aber: Es gibt weit mehr Symptome, die beim Burn-out-Syndrom auftreten können, aber nicht müssen. Ein erster "Burn-out-Test" ersetzt keinesfalls den Besuch bei einer Fachärztin oder einem Facharzt. Eine depressive Erkrankung sieht bei jedem anders aus und braucht eine individuelle, professionelle Untersuchung.

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Warnzeichen bei anderen erkennen – wie kann ich helfen?

Menschen, die unter dem Burn-out-Syndrom leiden, geben sich oft selbst die Schuld an ihrem Zustand, sie sind zu erschöpft und hoffnungslos, um sich professionelle Hilfe zu holen. Beobachten wir depressive Veränderungen bei unseren Mitmenschen, sollte man dies ansprechen und den Betroffenen eventuell motivieren, das durch eine Ärztin oder einen Arzt abklären zu lassen.

Betroffene – und das gilt gleichwohl für Kinder, Freunde oder Partner – ziehen sich oft zurück. Es ist wichtig, das nicht als persönliche Kränkung zu verstehen, sondern als Symptom von Burn-out beziehungsweise einer depressiven Erkrankung. Oft ist es wichtig, den Betroffenen dabei zu helfen, einen Termin bei der hausärztlichen Praxis zu vereinbaren. Ihre Hausärztin oder der Hausarzt sind die erste Anlaufstelle, wenn es um eine erste Einschätzung und die mögliche Überweisung zu Fachkollegen, das heißt der Psychiaterin oder auch dem Psychologischen Psychotherapeuten, geht.

Kann ich mich selbst heilen?

Ist mit Burn-out lediglich ein Erschöpfungssyndrom gemeint, lautet die Devise: einen Gang runterfahren und eine Auszeit nehmen. Wenn es beispielsweise eindeutig ist, dass der Job und die Umstände am Arbeitsplatz die Ursache sind, gilt es zu prüfen, wo und wie man daran etwas verändern kann. Vielleicht können hierbei auch Kolleginnen und Kollegen unterstützen.

Es gibt zudem Betriebe, die sich flexibel auf die Situation einstellen und betroffenen Mitarbeitenden entsprechende Angebote machen können. Zudem kann es heilend wirken, sich im Alltag kleine Rückzugsinseln zu schaffen, auszuschlafen, Urlaub zu machen, sich bewusster zu ernähren und mehr zu bewegen, nicht mehr rund um die Uhr erreichbar zu sein oder nicht jeden Abend in der Woche zu verplanen. 

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Bei Depression ist eine Therapie nötig

Wenn sich hinter dem Begriff Burn-out-Syndrom jedoch eine Depression versteckt, helfen solche Maßnahmen wenig, wie Ulrich Hegerl betont. Dann ist eine konsequente Behandlung mit Antidepressiva, Therapie oder beidem entscheidend für den Krankheitsverlauf. Den meisten Menschen, die in eine depressive Krankheitsphase gerutscht sind, kann geholfen werden und die Depression klingt wieder ab. Auch das Risiko, im weiteren Lebensverlauf erneut in eine Depression zu rutschen, kann um etwa 70 Prozent reduziert werden. Bei anhaltendem Erschöpfungsgefühl und Verlust der Lebensfreude sollte die Diagnose also von einem Arzt oder einer Ärztin gestellt werden. Hegerl: „Hier sind neben den Hausärzten die Fachärzte, das heißt die Psychiater zuständig und weiter die Psychologischen Psychotherapeuten. Eine ärztliche Diagnose ist aber nötig, da hinter Erschöpfungszuständen auch andere Erkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen oder entzündliche und immunologische Prozesse stecken können.“

Also: Bei Burn-out-Anzeichen gilt es, ganz genau hinzuschauen – sowohl bei uns selbst als auch bei unseren Mitmenschen. Denn was beinahe schon als Modewort in der Leistungsgesellschaft daherkommt, ist häufig eine ernstzunehmende Depression. 

Hilfe für Betroffene

Sie suchen Hilfe für sich selbst oder Angehörige? Wenden Sie sich beispielsweise an das Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe unter: 0800 3344533

Nähere Informationen finden Sie hier
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Veröffentlicht am 19.04.2022

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