Bin ich süchtig? Symptome von Sucht und Therapiemöglichkeiten

Redaktion
IKK classic

Alkohol, Nikotin, Drogen, Medikamente, Glücksspiel, Internet: Sucht hat viele Ausprägungen und Ursachen. Doch wann spricht man überhaupt von einer Sucht, wie entsteht sie und wie kommt man wieder heraus? Wir haben mit Experten darüber gesprochen.

Alkohol, Tabletten, Handy, Cannabis – abhängig kann man von vielen Dingen sein. Sowohl psychisch als auch körperlich. Sucht hat viele Facetten. Es handelt sich dabei um eine ernsthafte psychische Erkrankung.

Genussmittel wie Alkohol oder Nikotin haben im Alltag vieler Menschen einen festen Platz. Das heißt jedoch nicht, dass alle, die ab und zu ein Bier oder Glas Wein trinken oder eine Zigarette rauchen, automatisch süchtig sind.

Dennoch ist Sucht kein seltenes Problem in unserer Gesellschaft. Fast acht Millionen Menschen in Deutschland konsumieren laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) Alkohol in Mengen, die der Gesundheit schaden. Mindestens 1,6 Millionen davon gelten als süchtig.

Ähnlich sieht es beim Thema Rauchen aus. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit rauchen etwa zwölf Millionen Menschen in Deutschland. Viele davon sind nikotinabhängig. Dazu haben rund drei Millionen Menschen einen problematischen Medikamentenkonsum. Jeweils mehr als eine Million haben ein Problem mit illegalen Drogen und Glücksspiel.

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Was ist eine Sucht?

„Ich bin süchtig nach Schokolade“ oder „ohne mein Smartphone kann ich nicht mehr leben“. Solche Sätze verwenden wir hin und wieder. Meistens sind sie einfach nur so dahingesagt, ohne ernsthaften Hintergrund. Im Alltag hat sich der Begriff „Sucht“ etabliert. Allerdings, ohne dass damit eine ernsthafte Sucht oder Abhängigkeit gemeint ist. In der Medizin spricht man heutzutage meist von einer Abhängigkeitserkrankung. Diese ist als psychische Erkrankung anerkannt.

Die entscheidende Frage ist: Wo hört der Genuss auf – und wo fängt eine Sucht an?

Das hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Im deutschen Gesundheitssystem werden diese in der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ - oder kurz: ICD - festgelegt. Darin heißt es:

  • Starkes Verlangen nach Konsum:

    Das Verlangen nach einer bestimmten Substanz oder einem bestimmten Verhalten ist so stark, dass es wie ein Zwang innerlich spürbar ist.

  • Kontrollverlust:

    Man schafft es nicht, sich zu begrenzen. Man konsumiert immer mehr und möchte immer früher als geplant damit starten, etwa schon vor dem Frühstück eine Zigarette rauchen oder einen Schnaps trinken.

  • Dosis- oder Toleranzsteigerung:

    Der Körper verträgt oder möchte immer mehr. Er gewöhnt sich an die Substanzen. Deshalb muss die Menge steigen, um den ersehnten Kick zu spüren.

  • Entzugserscheinungen:

    Wird der Konsum reduziert, reagiert der Körper darauf. Die Beschwerden können von einem lediglich unangenehmen Gefühl über Zittern, Unruhe oder Schwitzen bis hin zu lebensbedrohlichen Symptomen reichen.

  • Vernachlässigung anderer Interessen:

    Die Sucht dominiert den Alltag, man ist etwa nur noch damit beschäftigt, Drogen zu beschaffen oder den Alkoholvorrat penibel aufrechtzuerhalten. Freundschaften, familiäre Beziehungen oder Hobbys werden vernachlässigt.

  • Folgen für die Gesundheit:

    Das schädliche Verhalten wird nicht aufgegeben, obwohl die Organe des Körpers schon eindeutig beeinträchtig sind und das Risiko für schwere gesundheitliche Schäden hoch ist. Zum Beispiel eine Leberzirrhose durch Alkohol, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (kurz COPD) durch das Rauchen, Nierenschäden durch Drogen oder eine Geschlechtskrankheit durch fahrlässiges Verhalten bei einer Sexsucht. 

Erste Anzeichen: Woran erkenne ich, dass ich süchtig bin?

Wenn mindestens drei der oben genannten sechs Verhaltensmuster innerhalb von zwölf Monaten parallel auftreten, spricht man offiziell von einer Abhängigkeitserkrankung.

Es gibt jedoch auch Anzeichen. „Wenn ich mir zum Beispiel fest vornehme, nicht zu konsumieren, es aber trotzdem tue“, sagt Prof. Dr. Anil Batra, Leiter der Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung an der Universitätsklinik Tübingen für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie.

Ein konkretes Beispiel ist: Jemand nimmt sich vor, eine Woche lang keinen Alkohol zu trinken, oder nicht zu spielen. Die Person hält das jedoch nicht durch. Sie findet irgendeinen Grund dafür, der sie darin bestärkt, dennoch zu trinken oder zu spielen. Das sei typisches Suchtverhalten.

Typische und neue Arten von Sucht

Es gibt eine ganze Reihe an Suchterkrankungen. Man unterscheidet sie zwischen stoffgebundenen und nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten. Denn auch Verhaltensmuster können süchtig machen. Wenn das Verlangen so stark ist, dass Betroffenen die Kontrolle über ihr Verhalten verlieren.

Stoffgebundene Abhängigkeiten:


  • Alkoholsucht

  • Nikotinsucht

  • Drogensucht (Kokain, Ecstasy, Cannabis und Co.)

  • Medikamentensucht

Nicht-stoffgebundene Abhängigkeiten:


  • Spielsucht (Glücksspiel, Sportwetten)

  • Internet- oder Computerspielsucht

Es gibt noch weitere suchtähnliche Verhaltensmuster, die in der Medizin (noch) nicht offiziell anerkannt sind. Das heißt jedoch nicht, dass diese Probleme nicht ernst zu nehmen sind. Dazu zählen:

Wie entsteht eine Sucht?

Egal, was für eine Art von Sucht, der Weg in die Abhängigkeit verläuft ähnlich. Er beginnt mit dem Konsum. Manche Menschen können ihr ganzes Leben lang regelmäßig Alkohol trinken oder ab und zu Lotto spielen, ohne süchtig zu werden. Sie können auch über längere Zeit problemlos darauf verzichten. Bei anderen setzt an diesem Punkt das Verlangen ein.

Das ist der erste Suchtfaktor, er entsteht im Gehirn. Wenn Nikotin, Alkohol oder Drogen konsumiert werden, wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Der Botenstoff Dopamin wird freigesetzt. Wir fühlen uns gut. „Das Gehirn möchte diesen Zustand dann immer wieder erleben“, erklärt der Experte. Das ist die psychische Abhängigkeit.

Gleichzeitig entwickelt das Belohnungsnetzwerk eine Toleranz. Es braucht immer mehr von der Droge, um zu reagieren und Dopamin auszuschütten. Wenn sich der Körper immer mehr an die Substanz gewöhnt hat, funktioniert er nicht mehr ohne. Lässt die Wirkung nach, setzen Entzugserscheinungen ein: die sogenannte körperliche oder physische Abhängigkeit.

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Persönliche Situation und soziales Umfeld beeinflussen Suchtverhalten

Das allein reicht jedoch nicht, um süchtig zu werden. „Abhängigkeitserkrankungen können verschiedene Ursachen haben“, sagt Dr. Maurice Cabanis, Ärztlicher Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten des Klinikums Stuttgart.

Neben der Reaktion im Gehirn spielen dabei insbesondere persönliche, psychologische und soziale Faktoren eine Rolle. „Meistens ist es ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren.“

Zur persönlichen Komponente zählen die Umstände, in denen konsumiert wird. Alkohol verbinden wir beispielsweise häufig mit Partys oder Feiern. Situationen, in denen wir Spaß haben. Auch Stress, Leistungsdruck, Schmerzen oder Schlafstörungen können das Risiko für eine Abhängigkeit erhöhen. Das sind psychische Faktoren. „Vor allem, wenn jemand versucht, etwas zu kompensieren, gilt die Person als besonders suchtgefährdet“, sagt Prof. Dr. Anil Batra. „Die Substanz oder das Verhalten wird dann zu einer Art Bewältigungsstrategie“, ergänzt Dr. Maurice Cabanis.

Hinzu kommt die Rolle des sozialen Umfelds von Betroffenen. Familie, Freundeskreis oder die Menschen in der Schule oder bei der Arbeit beeinflussen das Konsumverhalten. Ist es im Umfeld völlig normal, Alkohol, Zigaretten oder andere Substanzen zu konsumieren, sinkt meist auch die eigene Hemmschwelle. Dazu kommt in bestimmten Situationen der Gruppenzwang.

Warum werden manche Menschen eher süchtig als andere?

Manche Menschen trinken oder rauchen regelmäßig, zeigen aber keine Anzeichen einer Sucht. Andere werden schon nach kurzem Konsum süchtig. Das liegt auch am genetischen Einfluss. Dennoch: Die häufig zitierte „Suchtpersönlichkeit“ gibt es nicht.

„Dennoch gibt es Menschen, die sind besonders anfällig für Suchtverhalten“, erklärt Prof. Dr. Anil Batra. Das können Menschen sein, die ständig auf der Suche nach Nervenkitzel oder besonders risikofreudig sind. Sie gehen gerne an ihre Grenzen und darüber hinaus. „Diese Menschen probieren auch gerne neue Dinge, wie zum Beispiel Drogen, aus.“ Damit sei auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass etwas hängen bleibt.

Es spielt dabei eine große Rolle, wie das Gehirn auf Substanzen oder Verhaltensmuster reagiert. „Manche Menschen erleben stärkere Belohnungseffekte als andere. Dadurch haben sie ein höheres Risiko für eine Abhängigkeit.“ Bei anderen Personen kann es sozusagen genau umgekehrt sein: Ihr Belohnungssystem ist gestört. Sie haben eine geringere Dopaminaktivität. „Diese Menschen können anfälliger für eine Abhängigkeit sein, da sie verstärkt nach äußeren Stimuli suchen, um ein Gefühl von Belohnung oder Wohlbefinden zu erreichen.“

Dazu können andere Einflüsse das Suchtverhalten beeinflussen: traumatische Ereignisse in der Vergangenheit etwa. Dazu zählen zum Beispiel sexuelle Gewalt oder Vernachlässigung. Aber auch Faktoren wie Stress oder psychische Erkrankungen. „Betroffene versuchen, unangenehme Emotionen oder andere Symptome durch Substanzen oder Verhaltensweisen zu lindern“, erklärt Dr. Maurice Cabanis.

Unter dem Strich können viele Wege in eine Abhängigkeit führen. Diese sind meist ganz individuell und häufig spielen gleich mehrere Gründe eine Rolle.

Der Weg aus der Sucht: Warum ist er so schwer?

Ist man erst einmal in einer Sucht gefangen, ist der Ausweg alles andere als leicht. „Die Sucht ist sehr stark im Kopf verankert“, sagt Prof. Dr. Anil Batra. Der erste und wichtigste Schritt deshalb ist, sich einzugestehen, dass man ein Problem hat. Erst dann kann man das Problem angehen.

Genau diese Erkenntnis fällt Süchtigen meist sehr schwer. Ihr Konsum oder Verhaltensmuster beeinflussen das ganze Leben. Darauf dauerhaft zu verzichten, kommt für viele deshalb auch gar nicht in Frage. Doch genau das sollte langfristig das Ziel sein. „Wer einmal abhängig war, schafft es nicht mehr in einen kontrollierten Konsum hinein. Irgendwann setzt wieder der Kontrollverlust ein.“

Professionelle Hilfe: Wo erhalte ich Unterstützung und Beratung?

Wichtig ist, sich professionelle Hilfe zu suchen. Mögliche Anlaufstellen gibt es viele:

  • Suchtberatung

  • Fachkliniken

  • Hausarztpraxis

  • Selbsthilfegruppen

  • Bei der bundesweiten Sucht & Drogen Hotline gibt es rund um die Uhr anonyme Beratung und Hilfe.

  • Im Suchthilfeverzeichnis der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen können Sie gezielt nach regionalen Hilfsangeboten suchen.

Bei einer substanzgebundenen Sucht wie Alkohol oder Drogen steht zunächst der Entzug an. Dieser sollte immer unter ärztlicher Aufsicht stattfinden. Die Entzugserscheinungen können mitunter lebensgefährlich sein. Deshalb gibt es beim Entzug auch medikamentöse Unterstützung.

Anschließend geht es darum, das eigentliche Problem in den Griff zu bekommen. „Entscheidend ist, sein Leben umzustellen“, betont Prof. Dr. Anil Batra. In der Suchttherapie lernen Betroffene zum Beispiel, wie sie sich von Suchtmitteln fernhalten können. Sogenannte Vermeidungstaktiken. Mindestens genauso wichtig ist es, dass sie herausfinden, weshalb sie überhaupt in der Abhängigkeit gefangen sind.

„Die Behandlung erfordert einen umfassenden Ansatz, der sowohl die körperlichen als auch die psychischen und sozialen Aspekte der Erkrankung, aber auch die Bedürfnisse und Ziele der Betroffenen berücksichtigt“, sagt Dr. Maurice Cabanis.

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Verlieren wir den Bezug zu unserem inneren Ich, gerät die Seele aus der Balance. Die Folge: Psychische Störungen entstehen und belasten Betroffene in ihrem Alltag.

Wie kann ich Betroffenen in meinem Umfeld helfen?

Wenn Sie merken, dass jemand in Ihrem engeren Umfeld ein Sucht-Problem haben könnte, dann sollten Sie ein vertrauliches Gespräch suchen. „Man sollte nicht so tun, als gäbe es kein Problem“, betont Prof. Dr. Anil Batra. Schon gar nicht sollten Sie die betroffene Person in ihrem Suchtverhalten unterstützen, indem Sie beispielsweise Ausreden erfinden. „Damit kann man das Problem und dessen Folge nicht reduzieren.“

Was allerdings nicht geht: Die Probleme für die betroffenen Person lösen. Auch engvertraute Angehörige können keine Therapie ersetzen. „Man kann aber immer wieder Hilfestellungen anbieten.“ Reden Sie mit der betroffenen Person über die Probleme oder helfen Sie dabei, einen Therapieplatz zu finden.

„Eine hilfreiche Unterstützung besteht darin, den Betroffenen zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei es durch Therapie, Selbsthilfegruppen oder medizinische Beratung“, sagt Dr. Maurice Cabanis.

Suchtprävention: Risiken minimieren und Suchtentwicklung vorbeugen

Eine Sucht kommt meistens nicht von heute auf morgen. Sie schleicht sich langsam ins Leben ein. Deshalb ist es wichtig, schon erste Anzeichen zu erkennen. Besonders wachsam sollten Menschen sein, in deren Familie es bereits Abhängigkeits-Erkrankungen gibt.

  • Achtsamkeit:

    Süchte entstehen meist aus einem seelischen Bedürfnis heraus. Finden Sie heraus, was Sie brauchen, damit es Ihnen gut geht. Das können Entspannungsübungen, Sport oder Ausflüge in die Natur sein.

  • Süchtig-Macher:

    Halten Sie sich von Substanzen fern, die schnell süchtig machen. Dazu gehört neben illegalen Drogen auch legale Drogen wie Nikotin oder Alkohol.

  • Konsum einschränken:

    Natürlich können Sie ab und zu auch mal ein Bier oder Glas Wein trinken. Das sollte allerdings nicht zur Routine werden, die zum Alltag dazugehört. Schränken Sie den Konsum ein und genießen Sie bewusst.

  • Ratschläge annehmen:

    Wenn Freundinnen, Freunde oder Familienmitglieder Sie auf Ihr Konsumverhalten ansprechen, sollten Sie diesen gutgemeinten Ratschlag ernst nehmen und Ihr Konsumverhalten hinterfragen.

Wenn Sie merken, dass Ihr Konsum (Alkohol, Nikotin, Drogen, etc.) oder bestimmte Verhaltensweisen (Glücksspiel, Medienkonsum, etc.) regelmäßig außer Kontrolle geraten und Sie trotzdem nicht damit aufhören können oder wollen, sollten Sie sich frühzeitig Hilfe suchen.

Denn umso früher eine Abhängigkeit behandelt wird, desto einfacher ist es in der Regel gegen sie anzukämpfen. „Abhängigkeitserkrankungen bleiben leider oft unerkannt“, sagt Dr. Maurice Cabanis. „Hilfe wird erst dann in Anspruch genommen, wenn die Erkrankung schon chronifiziert ist.“

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Veröffentlicht am 13.12.2024

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