Ein Tisch mit Mikrofon, Laptop und Kaffeetasse

Folge #7
Jung und in Quarantäne

Erwachsen werden? Lass machen.
Der Coming of Age-Podcast der IKK classic.

  Zu allen Folgen

Wir haben gefragt, ihr habt gesprochen. Danke dafür! Wir wollten wissen, wie es euch während der Corona-Phase mit den beiden Lockdowns ging. Dass es euch nicht mega gut ging, damit haben wir gerechnet. Dass eure Antworten aber so dramatisch ausfallen würden, das hätten wir nicht gedacht. Grund genug, bei Psychologe und Forscher Philipp Alt, unserem Gast der Folge nachzufragen, was hier zu tun ist.

Vor einigen Wochen wollten wir von euch wissen, wie es euch während Corona ging. Was ihr getrieben habt, was euch belastet hat, was euch gefreut hat. Vivi hat die Fragen über ihren Kanal gestreut – und die Antworten haben uns echt betroffen gemacht. Dazu später mehr. An dieser Stelle erstmal ein dickes Merci an alle Teilnehmenden, wir haben sehr, sehr viel Feedback erhalten.

Dramatisches Gesamtbild

Wir haben eure Antworten in Form von Nachrichten auf Instagram bekommen, einige von euch haben auch private Kanäle genutzt, um uns zu schreiben. Daraus sind dann drei kurze Interviews entstanden: mit Daniel, mit Lea und mit Grace. Diese Interviews haben wir ebenfalls in die Folge integriert. Hört da doch einfach mal rein.

Dramatisch war aber das Gesamtbild, das uns erreicht hat. Zwei von drei Usern sagten, dass es ihnen schlecht ging. Dass ihr euch einsam gefühlt habt, ihr habt uns von Angststörungen berichtet, von Niedergeschlagenheit bis hin zu Depressionen. Ess-Störungen haben zugenommen, Antriebslosigkeit, soziale Ängste. Alles in allem: das Bild war wirklich tragisch.

Die Folgen werden uns noch länger begleiten

Deshalb haben wir uns auch einen ausgewiesenen Experten ins Boot geholt, der zum einen über die Ergebnisse spricht, der zum anderen aber auch etwas zum größeren Trend sagen kann. Er hat nämlich mit dem Deutschen Jugendinstitut DJI in München eine große Studie verfasst, die sich mit den Corona-Folgen für die Jugend beschäftigt. Und auch die Studie hat bedrückende Ergebnisse geliefert. Denn auch wenn die Pandemie jetzt erstmal vorbei zu sein scheint – mit den Folgen werden wir noch lange zu tun haben.

Gast der achten Folge: Philipp Alt

Philipp Alt hat Psychologie studiert und über das Thema Depressionen promoviert. Genauer gesagt über Depressionen in der Familie und wie sich die Kinder und die Eltern gegenseitig beeinflussen, wenn sie psychische Probleme haben.

Er hat acht Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet und unter anderem im Deutschen Jugendinstitut DJI an einer Studie mitgearbeitet zum Thema Corona und den Folgen für die Jugend. Seit Mai dieses Jahres arbeitet Philipp Alt als Psychotherapeut.

Portrait von Philipp Alt

Massiver Anstieg psychischer Erkrankungen – und beim Alkoholmissbrauch

Zu Beginn möchte Vivi erst einmal wissen, was die Ergebnisse der Studie waren, ob Corona denn wirklich einen so gravierenden Effekt auf uns alle – insbesondere auf die Jugend –gehabt hat, wie das in unserer kleinen Studie herausgekommen ist. Und Philipp Alt kann das nur bestätigen.

„Der Expertenrat der Bundesregierung spricht von einer sekundären Krankheitslast“, sagt Alt. Das sind die psychosozialen Folgen der Pandemie. Dabei geht es nicht unbedingt um die direkten Folgen der Viruserkrankung, sondern um alles, was im Anschluss daran noch mit uns passieren kann. Zum Beispiel durch die beiden Lockdowns oder durch die sozialen Einschränkungen, die da waren. „Dabei hat man gesehen, dass es massive Anstiege gab, eigentlich über das gesamte Spektrum der psychischen Erkrankungen bei den Kindern und Jugendlichen. Ein massiver Anstieg bei Depressionen, ein Anstieg bei Angst-Erkrankungen, ein Anstieg auch im Missbrauch, also zum Beispiel bei Alkohol.“

Das entspricht auch den Ergebnissen von Vivis Umfrage, die herausgefunden hat, dass es zwei von drei jungen Menschen in der Zeit der Lockdowns schlecht ging. Natürlich gibt es da eine leichte Verzerrung in den Antworten, denn viele, denen es nicht schlecht ging, dürften einfach gar nicht geantwortet haben. Die Zahlen, die Philipp Alt nennt, bestätigen unseren Trend. „Die Zahl der Depressionen unter Jugendlichen hat sich verdoppelt“, sagt Alt. Von der sowieso schon erschreckend hohen Zahl zehn Prozent sind die Fälle einer klinisch relevanten Depression während der Corona-Phase auf über 20 Prozent gestiegen, genauer gesagt auf 22 Prozent.

Einsamkeit als Treiber für die Depression

Beinahe jeder vierte junge Mensch hat während des Lockdowns eine Depression entwickelt. „Einsamkeit“, erklärt Philipp Alt, „ist ein ganz, ganz großer Schrittmacher für die Depression“. Das heißt, wenn man sich einsam fühlt, entwickelt man leichter eine Depression. „Und das war tatsächlich auch genau in unseren Analysen so. Dabei hat die Isolation nicht alle jungen Menschen gleichermaßen betroffen. Aber diejenigen Jugendlichen, die vor der Pandemie besonders gesellig waren, die gut sozial eingebunden waren, hatten einen extremen Anstieg im Gefühl von Einsamkeit. Und das hat wiederum zu einem massiven Anstieg in der depressiven Symptomatik geführt.“

Die Folgen, ist sich Alt sicher, werden wir erst in den nächsten Jahren konkret spüren. „Es ist immens wichtig, dass man eben diese langfristigen Folgen im Blick behält“, sagt er. „Denn das sind Auswirkungen, die man erst in den nächsten Jahren wirklich abschätzen kann. Was hat das tatsächlich gemacht mit der emotionalen Intelligenz, mit der Persönlichkeit? Welchen Einfluss hatte diese Phase auf die psychologische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?“

Was aber, wenn es noch einmal zu einem Lockdown kommt? Wie können wir uns wappnen? Hier ist es wichtig zu wissen, dass es ganz konkrete Ansätze gibt, wie man sich selbst in solchen Extremsituationen regulieren kann. Denn auch wenn noch einmal ein Lockdown kommen sollte, können wir uns fragen:

  • Wie kann ich mich am besten an die Situation anpassen?
     
  • Wie kann ich zum Beispiel meine Ziele anpassen, um gut durch diese Zeit zu kommen?
     
  • Welche Hobbys kann ich weitermachen oder neu aufnehmen, um mich beschäftigt zu halten und einen guten Ausgleich zu haben?
     
  • Wie kann ich schon jetzt meine sozialen Beziehungen stabiler gestalten, sodass sie auch distanziertere Phasen überstehen? Aktiv, also zum Beispiel zu meiner Familie, zu Freunden oder auch in Partnerschaften?
     
  • Was kann ich da machen, um die aufrechtzuerhalten und zu pflegen?

 

Wenn es gelingt, auf diese Punkte positive, aktivierende Antworten zu finden, sind wir mit Sicherheit besser gewappnet – für alles, was auch immer in den nächsten Jahren noch kommen wird.

Anlaufstellen und Fakten zur Studie

Hier findest du Anlaufstellen, an die du dich bei Fragen wenden kannst und weitere Informationen zur oben genannten Studie.

Alle Folgen von „Erwachsen werden? Lass machen.“

Dich beschäftigen weitere Themen beim Erwachsenwerden? Dann haben wir noch mehr für dich: Hör einfach mal rein – hier findest du alle Podcast-Folgen in der Übersicht.

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