Diabetes im Handwerk: So haben Sie die Zuckerkrankheit im Griff

Diabetiker fallen ständig in Ohnmacht und müssen sich im Stundentakt Insulin spritzen – wie sollen sie so den harten Baustellen-Alltag überstehen? Vorurteile wie diese erschweren vielen Betroffenen das Arbeitsleben mehr als die Krankheit selbst. Weshalb Menschen mit Diabetes noch lange nicht aus Zucker sind und wie sie die Herausforderungen in Handwerksberufen meistern – wir klären auf.

(Berufs-)Leben mit Diabetes

Diabetes begleitet Betroffene durch alle Lebenslagen. Sie müssen ihren Blutzucker ständig im Blick behalten und regulieren und oft lebenslang Medikamente einnehmen: blutzuckersenkende Tabletten oder in schwereren Fällen künstliches Insulin, das sie sich regelmäßig selbst spritzen. Auch die ständige Angst vor einem „Zuckerschock“ belastet Diabetiker.

Im Alltag und insbesondere im Beruf tun sich daher einige Herausforderungen auf – aber die lassen sich überwinden. Diabetiker lernen heute in speziellen Schulungen mit ihrer chronischen Erkrankung verantwortungsvoll umzugehen. Therapieansätze passen sich den individuellen Lebens- und Arbeitsbedingungen an, technische Innovationen wie Real-Time-Messgeräte oder praktische Insulin-Pens erleichtern Patienten das Leben.

Menschen mit Diabetes können daher entgegen gängiger Irrglauben fast jeden Beruf problemlos ausüben – solange der Stoffwechsel gut eingestellt ist und keine Begleiterkrankungen auftreten. Oft bringen sie sogar besondere Stärken mit: Im Umgang mit der Krankheit lernen sie Eigeninitiative und Umsicht – und beides wenden sie auch im Job an.

Handwerker trotz „Zucker”– das geht!

Anpackerinnen und Anpacker passen bestens ins Handwerk – Krankheit hin oder her. Vom Schreiner bis hin zum Feinoptiker sind Diabetikern beruflich keine Grenzen gesetzt. Einige Berufe bringen aber besondere Herausforderungen mit sich:

Dachdecker oder Gerüstbauer arbeiten oft in großer Höhe, wo ein Schwindelanfall schnell zu gefährlichen Stürzen führen kann. Maurer oder Straßenbauer arbeiten an stetig wechselnden Einsatzorten, sodass kein Tag wie der andere läuft. Das erschwert, geregelte Mahlzeiten zu sich zu nehmen und den Blutzucker zu kontrollieren.

Können Diabetiker solche Berufe trotzdem ausüben? „Grundsätzlich ja“, betont Dr. Kurt Rinnert, leitender Betriebsarzt bei der Stadt Köln und Experte der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „‘Verbotene Berufe' für Menschen mit Diabetes mellitus gibt es zum Glück im Handwerk nicht mehr. Die moderne Therapie schließt individuelle Bedürfnisse und natürlich auch die berufliche Beanspruchung mit ein. Innovative Diabetestechnologie hilft außerdem im Notfall, gefährliche Unterzuckerungen frühzeitig zu erkennen und Gefahrensituationen zu vermeiden,“ so der Arbeitsmediziner. Und natürlich schützen die Arbeitsschutzvorschriften alle Beschäftigten vor besonderen Gefahren und Belastungen, selbstverständlich auch die Beschäftigten mit Diabetes an ihrem Arbeitsplatz.

Menschen mit Diabetes sind genauso leistungsfähig wie stoffwechselgesunde Arbeitnehmer. Das gilt grundsätzlich auch für die Arbeit im Handwerk.
Dr. Kurt Rinnert, Arbeitsmediziner, DDG

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Darauf sollten Handwerker mit Diabetes achten

1. Behandeln nach Maß

Um den Diabetes im Griff zu haben, braucht es vor allem: eine gute Kenntnis der Erkrankung und den Willen, die Behandlung konsequent durchzuziehen. Egal, ob Baustelle oder Werkstatt – jeder Patient kann mit seinem Diabetes-Team einen Behandlungsplan ausarbeiten, der speziell auf die eigene Arbeitsbelastung zugeschnitten ist. Zur Orientierung dient zum Beispiel die Checkliste, die Dr. Kurt Rinnert gemeinsam mit der Initiative „diabetes@work“ erarbeitet hat.

Auch wichtig: ein gesunder Lebensstil. „Als Patient mit Typ-2-Diabetes führt der Weg zu einem stabilen Gesundheitszustand zwangsläufig über gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung“, sagt Christan Wieth, Experte für Versorgungsstrategie der IKK classic.

2. Broteinheiten in die Brotzeitdose packen

Auch wenn es im hektischen Arbeitsalltag schwerfällt: Jeder Handwerker sollte auf regelmäßige Mahlzeiten und ausreichend Flüssigkeitszufuhr achten, denn bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten verbraucht der Körper viel Energie. Sind Ernährung und Medikamente nicht genau auf den erhöhten Bedarf eingestellt, droht eine gefährlichen Unterzuckerung – ein Fall für den Notarzt und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich. Um trotz Stress immer etwas Essbares parat zu haben, sollten vielbeschäftigte Handwerker am besten immer einen Pausensnack mitbringen. Belegte Brote oder Nudelgerichte aus Vollkorn zum Beispiel lassen sich leicht vorbereiten und liefern über Stunden Energie. Mitgebrachte Brotzeiten haben einen weiteren Vorteil: Wer Insulin spritzen muss, kann schon im Voraus die Broteinheiten der Mahlzeit berechnen und so die Dosis leichter bestimmen.

Auf den Gang zum Imbisstand sollten Betroffene hingegen lieber verzichten. Zwar müssen sie keine spezielle Diät einhalten, aber: Gerade bei Typ-2-Diabetikern kann eine ausgewogene Ernährung in Kombination mit ausreichend Bewegung die Blutzuckerwerte verbessern. „Gesunde Ernährung hält fit. Ab und zu sind kleine Sünden wie die mittägliche Leberkäsesemmel aber natürlich trotzdem erlaubt“, räumt Dr. Rinnert ein. Beim Feierabendbier ist jedoch Vorsicht geboten: Alkohol hindert die Leber daran, Zucker zu bilden. So steigt das Risiko einer Unterzuckerung – insbesondere nach erhöhter körperlicher Anstrengung.

3. Für den Notfall vorsorgen

Ihr Werkzeug haben Handwerker immer in Reichweite – das sollte auch für notwendige (Notfall-)Medikamente und Blutzuckermessgeräte gelten. Wer an wechselnden Einsatzorten unterwegs ist, deponiert seine Grundausstattung möglichst dort, wo man sie nicht vergessen kann, zum Beispiel im Dienstwagen oder Werkzeugkoffer. Für Insulin- und Glukagonspritzen gibt es sogar spezielle Reise-Sets, die die empfindlichen Wirkstoffe kühlen und so vor dem Verfall schützen.

Falls es doch mal zu einer Unterzuckerung kommt, sollten Diabetiker auch dafür vorsorgen: Traubenzucker, Fruchtsäfte oder Cola liefern schnell verfügbare Kohlenhydrate, die den Blutzucker wieder hochfahren. Für den Fall eines gefährlichen Zuckerschocks kann auch ein Diabetiker-Notfall-Ausweis Sinn machen, damit Ersthelfer die Situation richtig einschätzen können.

4. Das Umfeld einbinden

Diabetiker sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber oder Kollegen ihre chronische Erkrankung zu melden – sofern ihre Arbeitsfähigkeit nicht stark einschränkt ist. Gerade Handwerker, die unter risikoreichen Bedingungen arbeiten, profitieren aber davon, zumindest das engste Umfeld einzuweihen. Denn wenn die Kollegen über die Erkrankung Bescheid wissen, können sie im Falle einer Stoffwechselentgleisung erste Hilfe leisten. Eine Übersicht zur Ersten Hilfe bei Diabetes-Notfällen bietet zum Beispiel die Deutsche Diabetes Hilfe.

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Das sollten Arbeitgeber wissen

Erhöhtes Risiko für Unfälle und Krankheitstage?

Dass Menschen mit Diabetes, insbesondere Handwerker, häufiger am Arbeitsplatz verunfallen als stoffwechselgesunde Kollegen, lässt sich statistisch nicht nachweisen. Denn eine Hypoglykämie führt nicht zwangsläufig zu einem Unfall – vor allem, wenn die nötigen Arbeitsschutzmaßahmen eingehalten werden. Grundsätzlich erleiden berufstätige Patienten nur selten einen Zuckerschock, bei dem sie fremde Hilfe brauchen. Leichte Unterzuckerungen bekommen sie meist selbst in den Griff. Tatsächlich sprechen die Zahlen sogar dafür, dass Diabetiker insgesamt seltener Arbeitsunfälle erleiden: Sie kompensieren das Unterzucker-Risiko durch besondere Vorsicht und strikte Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien.

Auch dass Diabetiker unverhältnismäßig oft krankheitsbedingt ausfallen, stimmt so nicht. Gerade Typ-2-Diabetes betrifft verstärkt Personen ab 50 und in dieser Altersgruppe sammeln die Patienten statistisch nicht signifikant mehr Krankentage an. Sie sind in den meisten Fällen also genauso leistungsfähig wie Stoffwechselgesunde – und brauchen daher auch keine Sonderbehandlung.

Mit Betroffenen richtig umgehen

Gerade Neuerkrankungen lösen bei Diabetikern oft große Sorgen und Ängste um den Arbeitsplatz aus. Die können Arbeitgeber ihnen nehmen, indem sie ein offenes Betriebsklima schaffen. So wird vermieden, dass Betroffene ihre Krankheit verheimlichen und sich so einem erhöhten Risiko aussetzen. Dr. Rinnert empfiehlt auch Arbeitgebern, ruhig zu bleiben, wenn sie von der Diabeteserkrankung eines Angestellten erfahren. „Menschen mit Diabetes haben kein erhöhtes Unfallrisiko und sind auch nicht signifikant häufiger krank als Nichtbetroffene.“

In Einzelfällen kann es Sinn machen, das Tätigkeitsfeld oder die Arbeitszeiten eines Mitarbeiters anzupassen – etwa, wenn er an gefährlichen Maschinen oder in schwer planbaren Schichten arbeitet. Hier sei Hilfe und Unterstützung durch alle beim Arbeitsschutz Beteiligte gefragt, in erster Linie durch den Betriebsarzt.

Vorbeugen durch betriebliche Prävention

Vorsorge ist die beste Therapie. Arbeitgeber können durch betriebliche Vorsorgeaktionen wie Sportangebote, Gesundheitstage oder Blutzuckerscreenings dazu beitragen, Typ-2-Diabetes bei ihren Mitarbeitern gar nicht erst entstehen zu lassen. Das hilft nicht nur gefährdeten Mitarbeitern – Betriebe profitieren selbst von der höheren Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter.

 

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Diabetes mellitus – die Zuckerkrankheit

Bei der chronischen Stoffwechselerkrankung produziert der Körper zu wenig Insulin (Typ 1) oder das Hormon wirkt nicht mehr richtig (Typ 2). So gelangt der Zucker nicht mehr aus dem Blut in die Zellen. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel erhöht sich.

  • Deutsche Volkskrankheit

    In Deutschland leiden geschätzt 9,5 Millionen Menschen an Diabetes, davon ein großer Teil noch nicht diagnostiziert.

  • Folgen und Symptome

    Der erhöhte Blutzuckerspiegel schädigt auf Dauer Gefäße und Organe. Akute Blutzuckerschwankungen bis hin zu einer Unter- oder Überzuckerung können außerdem zu diversen Beschwerden wie Schwäche, Zittern oder Ohnmachtsanfällen führen – schlimmstenfalls droht ein diabetisches Koma. Eine Heilung gibt es bei Diabetes nicht, doch beide Typen sind sehr gut behandelbar.

  • Diabetes mellitus Typ 1

    Typ-1-Diabetes kommt zwar seltener vor, verläuft aber meist schwerwiegender als Typ-2-Diabetes. Die Autoimmunerkrankung beginnt häufig schon im Kindesalter, kann sich aber auch erst im fortgeschrittenen Alter entwickeln. Weil die Bauchspeicheldrüse wenig oder kein Insulin produziert, müssen Betroffene das Hormon zeitlebens medikamentös zuführen.

  • Diabetes mellitus Typ 2

    Typ-2-Diabetes oder Altersdiabetes, mit einem Anteil von 95 Prozent der häufigste Typ, ensteht schleichend im Laufe des Lebens – und bleibt daher oft lange unentdeckt. Ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel begünstigen die Entstehung. Zwar produziert der Körper noch eigenes Insulin, es wirkt jedoch nicht ausreichend. Ein relativer Insulinmangel entsteht, der die Blutzuckerwerte ansteigen lässt.

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