Hanfprodukte: Sind die Trend-Lebens­mittel aus dem Supermarkt gesund?

Hanfsamen überzeugen durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, gelten als gesund und haben sich in den Bio-Regalen ihren festen Platz zwischen Chiasamen, Quinoa und Co. erobert. Doch immer mehr Hanf-Produkte befinden sich auf dem Markt. Was hat es mit diesem Food-Trend auf sich und welche Risiken gilt es zu beachten?

Hanfsamen sind unbedenklich und gesund

Geschält und ungeschält, in der Bio-Hanfmehl-Packung, im Müsliriegel oder als Hanföl – Hanfsamen gehören seit Jahren zum Standardsortiment jedes gut sortierten Supermarkts. Denn die Samen des Nutzhanfes sind eine hervorragende Quelle für Eiweiß, hochwertige Fette und Mikronährstoffe wie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie die wichtigen Vitamine B1, B2 und E. Außerdem bieten die Samen viele Ballaststoffe.

Hanfsamen sind eine gute Ergänzung für alle, die auf eine gesunde Ernährung achten. Sie schmecken nussig und eigenen sich für Müslis, Smoothies oder als Mehl. Außerdem haben sie einen großen Vorteil gegenüber anderen Superfoods: Anders als beispielsweise Chia-Samen müssen sie nicht aus anderen Teilen der Erde importiert werden, sondern werden in Deutschland regional angebaut und sind daher auch gut für den ökologischen Fußabdruck.

Doch die uralte Nutzpflanze Hanf besteht nicht nur aus den gesunden und eiweißreichen Samen – auch Hanfnuss genannt. In ihren Blättern, Blüten und Stängeln verbergen sich sogenannte Cannabinoide, allen voran Tetrahydrocannabinol, kurz THC, und Cannabidiol, kurz CBD.

CBD und THC – wo liegt der Unterschied?

Von solchen Cannabinoiden wie CBD und THC kommen über hundert verschiedene Formen in Hanfpflanzen vor. Im menschlichen Nervensystem gibt es wiederum Rezeptoren, an denen Cannabinoide andocken und dadurch verschiedene Prozesse im Körper beeinflussen können – unter anderem das Immun- und Nervensystem. Unterschiedliche Cannabinoide wirken auf unterschiedliche Rezeptoren und lösen so andere Reaktionen aus.

Cannabidiol (CBD) Tetrahydrocannabinol (THC)

Wirkung

CBD wirkt auf den Körper. Es ist nicht berauschend und gilt daher auch nicht als Betäubungsmittel. Dem Wirkstoff werden unter anderem krampflösende, schmerzlindernde und beruhigende Effekte zugeschrieben. Es wird genau wie das berauschende THC aus den weiblichen Cannabispflanzen gewonnen.

THC wirkt auf den Kopf. Wegen seiner psychoaktiven, berauschenden Wirkung unterliegt es dem Betäubungsmittelgesetz. Es ist die Substanz, die „Tüten“ zum Rauschmittel macht. Es hat aber auch medizinische Eigenschaften und soll Schmerzen lindern, gegen Übelkeit helfen und den Appetit anregen.

Einsatzgebiet

CBD wird unter anderem in der Schmerztherapie und zur Behandlung der Spasmen von Patienten mit Multipler Sklerose oder Epilepsie eingesetzt. Fertigarzneimittel mit CBD gibt es in Deutschland nicht. Apotheker können es aber in Rezepturarzneien verwenden. Diese sind verschreibungspflichtig, also nur auf Rezept zu bekommen.

THC wird als verschreibungspflichtiges Arzneimittel zum Beispiel bei Menschen mit chronischen Schmerzen eingesetzt. Außerdem kann es während einer Chemotherapien gegen Übelkeit helfen oder den Appetit von schwerkranken Patienten steigern.

Gefahren

CBD ist meist gut verträglich. Falsch dosiert kann es aber unter anderem starke Müdigkeit auslösen. Schwangere oder stillende Frauen und Kinder sollten CBD nur nach Absprache mit einem Arzt einnehmen.

Die akute psychoaktive Wirkung von THC kann Angstzustände und Halluzinationen und auf Dauer sogar Psychosen auslösen. Außerdem kann der Konsum abhängig machen. Zu den möglichen körperlichen Nebenwirkungen zählen Müdigkeit, Herzrasen, Schwindel und Mundtrockenheit. 

THC darf nicht in größeren Mengen in Lebensmittel gelangen. Dennoch kommt es immer wieder vor. So ließen die baden-württembergischen Lebensmittelüberwachungsbehörden im Jahr 2020 mehr als 120 Hanfprodukte untersuchen. Das Ergebnis war alarmierend: Mehr als die Hälfte wurde als unsicher eingestuft und dadurch auch kaum ein Rückgang zu den Vorjahren festgestellt.

CBD soll entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend wirken, im Gegensatz zu THC aber keine berauschende und psychoaktive Eigenschaften aufweisen. Daher sind cannabidiol-haltige Produkte derzeit etwa in Form von Ölen frei verkäuflich. Allerdings entsprechen viele davon nicht den gesetzlichen Vorgaben, was eine große Drogeriemarktkette kürzlich dazu bewogen hat, diese cannabis-haltigen Produkte aus den Regalen zu verbannen.

Ying und Yang Symbol

Alternative Heilmethoden

Natürlich liegt im Trend, denn immer mehr Menschen suchen nach Alternativen zur klassischen Schulmedizin und chemisch hergestellten Medikamenten. 

Mehr zu alternativen Heilmethoden

Die HHC-Variante – das steckt dahinter

Hexahydrocannabinol, kurz HHC, ist eine weitere Cannabis-Variante. Das halbysnthetische Cannabinoid ist seit 2022 im Umlauf und in Deutschland noch legal. Im Verlauf von 2023 bis Anfang 2024 wurde es in manchen Ländern, wie etwa Tschechien oder Frankreich verboten. In Österreich sind Handel und Herstellung illegal, Besitz und Konsum jedoch legal. HHC wird meist zur Entspannung oder beim Feiern konsumiert. Ähnlich wie THC dockt es an die Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn an und entfaltet dort seine berauschende Wirkung. Es kommt in geringen Mengen in den Blüten der Cannabis-Pflanze vor. Da das Extrahieren im Labor aufwändig und teuer ist, wird HHC meist synthetisch hergestellt. Mehr zu HHC und dessen Legalisierung erfahren Sie in einem Beitrag des NDR

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Führerscheinverlust wegen CBD-Öl?

Doch was bedeutet das für den Verbraucher oder die Verbraucherin, wenn sie frei verkäufliche CBD-Produkte konsumieren? Im Zweifelsfall passiert es, dass man unbewusst THC zu sich nimmt, so das Ergebnis einer Untersuchung der Lebensmittelbehörde. Viele der getesteten Proben enthielten nicht nur CBD, sondern eben auch THC und wurden deshalb als unsicher eingestuft.

Schon bei einer täglichen Einnahme von 2.000 Milligramm an belastetem CBD-Hanföl kann es im Körper zu einer Ansammlung von bis zu 5 Milligramm THC kommen. Ein richtiger "Trip" wird deshalb nicht einsetzen, aber man kann sich schummrig fühlen, Herzrasen bekommen oder im Straßenverkehr nicht mehr aufmerksam genug sein. Wer solche Mengen zu sich nimmt, muss bei einem Drogentest mit einem positiven Ergebnis rechnen. Sollte man dann am Steuer einen Unfall bauen, könnte unter Umständen sogar der Führerschein oder der Versicherungsschutz gefährdet sein.

Zum anderen machte die EU Anfang 2019 deutlich, dass CBD-haltige Lebensmittel unter die „Novel Food-Verordnung“ fallen. Diese Regel besagt, dass alle neuartigen Produkte der Lebensmittelindustrie einer speziellen Kontrolle unterzogen werden müssen, bis feststeht, dass diese für den Verbraucher nicht gesundheitsschädlich sind. Erst dann erfolgt die Zulassung für den Verzehr.

Laut Dr. Dirk Lachenmeier vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe hat keines der CBD-Produkte, die es zu kaufen gibt, diese Zulassung erhalten. Sie dürften derzeit daher eigentlich nicht abgegeben werden. Für Lebensmittel aus Hanfsamen gilt diese Zulassungspflicht nicht, denn sie sind seit über 20 Jahren bekannt und werden seitdem regelmäßig ohne Beanstandung untersucht.

„Die 'Novel Food-Verordnung' geht wie die gesamte Lebensmittelgesetzgebung von redlichen Herstellern aus, die sich eigenverantwortlich an die Bestimmungen halten. Aber bei CBD-Produkten funktioniert dieser Grundsatz offensichtlich nicht“, sagt Dr. Dirk Lachenmeier. Er hat bereits mehrere Untersuchungen für die baden-württembergischen Lebensmittelüberwachungsbehörden zu CBD-haltigen Lebensmitteln und Kosmetika durchgeführt. Mehrere gerichtliche Verfahren haben die Bedenken der Behörden inzwischen bestätigt. Aber: „Man schlägt der Hydra einen Kopf ab und es wachsen zwei nach“, so Lachenmeier.

Cannabidiol-Produkte können den Verbraucher täuschen.
Dr. Dirk Lachenmeier

Beispielsweise werden Produkte einfach umetikettiert. Aus dem Nahrungsergänzungsmittel CBD-Öl wird dann einfach ein Aroma-Öl. „Das ist absurd“, findet Dr. Dirk Lachenmeier. Denn wer das Öl einnehmen will, wird es tun, unabhängig davon, ob es als Lebens- oder Duftmittel gilt. Damit wächst das Risiko für die Verbraucher, denn die rechtlichen Vorgaben sind bei Raumduftprodukten weit weniger streng als für Nahrungsmittel.

Die Überwachung von Hanfprodukten ist deshalb so ineffektiv, weil die Behörden sich von einem Einzelfall zum nächsten hangeln. Zwar waren bereits einige Prozesse erfolgreich, aber sie ziehen sich über Monate und Jahre. In der Zwischenzeit kaufen Kunden weiterhin Hanfprodukte, die psychoaktives THC enthalten. „Die Konsumenten werden in die Irre geführt. Sie kaufen Öle oder Tees, die vermeintlich THC-frei sind und dann doch hohe Mengen davon enthalten“, so der Experte.

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Das gilt im freien Verkauf seit der Cannabis-Legalisierung in Deutschland

Doch seit dem 1. April 2024 gilt das neue Gesetz zur Cannabislegalisierung in Deutschland. Bis zuletzt war die Verabschiedung umstritten. Der Verbraucher kann jetzt nicht mehr nur CBD Produkte im freien Verkauf erstehen, sondern in Zukunft – unter bestimmten, kontrollierten Bedingungen – auch THC. Denn Cannabis wurde von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz gestrichen und ist seitdem legalisiert. Im privaten Raum dürfen nun bis zu 50 Gramm für den Eigenbedarf angebaut und gelagert werden. Doch was gilt für den Verkauf von Hanfprodukten seit der Legalisierung? Wird die Kontrolle der Produkte dadurch besser oder schlechter? Und gibt es Cannabis bald im Supermarkt?

Der Verkauf von Cannabis („Dealen“) ist weiterhin strafbar. Außerdem gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Cannabisprodukte. Ab dem 1. Juli 2024 sind sogenannte „Anbauvereinigungen“ geplant, die streng überwacht werden. Sie dürfen nicht gewinnorientiert arbeiten und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Auch hier ist die Menge auf 50 Gramm innerhalb eines Monats beschränkt.

Trotz Legalisierung sind die gesundheitlichen Risiken von Cannabis nicht zu unterschätzen. Cannabis wird also weiterhin nicht einfach so im Handel zu kaufen sein. Auch die Kontrolle von hanfbasierten Produkten auf die Einhaltung der THC-Richtwerte wird weiterhin relevant bleiben une können unter Umständen sogar einfacher durchgeführt werden: denn eine der Gründe für die Legalisierung war unter anderem auch, dass der Zugang zu THC reguliert wird und die Endverbraucher und Verbraucherinnen unter kontrollierteren Umständen konsumieren können. Ob dies durch die Maßnahmen der Regierung so umsetzbar sein wird, wie geplant, wird sich vermutlich noch erweisen müssen.

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