Luftqualität messen oder einfach atmen? So halten Sie Ihre Lunge gesund

Jeder Atemzug ist kostbar. Durchschnittlich atmen wir zwölf Mal pro Minute, 720 Mal in der Stunde, 17.280 Mal am Tag, über 6,3 Millionen Mal im Jahr.

Unser Lungensystem steht ohne Verschnaufpause ein Leben lang in direktem Kontakt zur Außenwelt. Daher ist es äußerst anfällig gegenüber Erregern und Schadstoffen. Gelangen diese in die Atemwege, können sie ernsthaften Schaden verursachen und unsere Gesundheit gefährden.

Essentiell wichtig ist daher der aktive Schutz unseres Lungensystems, aber wie bewahre ich meine Lunge vor gefährlichen Umwelteinflüssen? Wir haben bei Lungenarzt Prof. Dr. Koczulla nachgehakt.

Interview mit Chefarzt für Pneumologie Prof. Dr. Andreas Rembert Koczulla

  • Kann ich meine Lunge aktiv "schonen"?

    Hier sollten wir vielleicht etwas differenzieren. Aktiv schonen, also in eine Art Schlummerzustand versetzen, müssen und sollten wir unsere Lunge als Organ nicht. Im Gegenteil: Sportliche Betätigung trainiert die Lunge und wirkt sich positiv auf das Lungenvolumen aus – uns geht es zumeist deutlich besser.

    Gleichauf sollten wir aber unsere Lunge vor schädlichen Umwelteinflüssen und Luftverschmutzungen schützen. Wer zur Rush-Hour im größten Smog joggen geht, wirkt dem sportlichen Aspekt durch äußere Einflüsse, wie hohe Feinstaubemissionen und Stickstoffoxide, entgegen. Besser ist es also vielbefahrene Straßen zu meiden und dort Sport zu treiben, wo man auch kräftig durchatmen kann. Wer in seiner Freizeit lange Spaziergänge macht oder Fahrrad fährt, stärkt ebenso seine Lungenfunktion.

    Wichtig ist also eine ausgeglichene Beanspruchung der Lunge an der frischen Luft, um die Atemwege auf Dauer gesund zu halten. Erfreulich ist, dass dem Schutz vor Luftschadstoffen in den letzten Jahren immer größere Bedeutung beigemessen wird.

  • Wie wirkt sich Luftverschmutzung auf unsere Lunge aus?

    Wissenschaftliche Studien belegen, dass regelmäßige Belastung durch Schadstoffe in der Luft mit einer verkürzten Lebenserwartung und einem vermehrten Auftreten von Lungenerkrankungen in Zusammenhang gebracht werden kann. Eigentlich ziemlich logisch: Je mehr Schadstoffe wir einatmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit negative gesundheitliche Folgen davonzutragen.

    Viele dieser Schadstoffe, wie Stickstoffoxid, Feinstaub oder hohe Ozonwerte, können allergische Reaktionen, Atemnot, Husten auslösen und zu einer chronischen Reizung der Atemwege führen. Besonders anfällig für diese Schadstoffe sind ältere Menschen oder Kleinkinder – aber eben auch Personen mit Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

  • Ist bodennahes Ozon gefährlich? Welche gesundheitlichen Folgen kann Ozon für die Lunge haben? 

    Bodennahes Ozon (O3) und Stickstoffoxide (NO2) sind gesundheitsschädliche Reizgase, die sich durch Luftströmungen über Stadt und Land verteilen. Wer sich an heißen Sommertagen lange an Orten mit starker Ozonkonzentration aufhält, leidet danach oft an gereizten Augen und Schleimhäuten, verminderter Lungenfunktion oder Kopfschmerzen. Diese Beeinträchtigungen verflüchtigen sich normalerweise nach spätestens 48 Stunden, dennoch spielt ein hoher Ozongehalt in der Luft bei Entstehung von Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen eine essentielle Rolle, bzw. können hohe Ozonwerte zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei Asthma- oder Tuberkulose-Erkrankungen führen.

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  • Ihre persönliche Einschätzung: Wie sauber ist die Luft in Deutschland?

    Auch wenn sich bereits viel getan hat, sind bereits genannte Luftschadstoffe in Deutschland ausreichend vorhanden. Wie wir alle wissen, ist um das Thema Feinstaub in den Städten eine hitzige Diskussion entstanden, die vor circa zwei Jahren ihren Höhepunkt fand. Der Diskurs hat natürlich seine Berechtigung. Gerade aber zu Corona-Zeiten haben wir gesehen, dass die Feinstaubbelastung durch eine Eindämmung des Straßenverkehrs oder in der Luft durchaus reduziert werden kann. Diese Tatsache sollten wir uns auch künftig zum Vorbild nehmen, zumal eine hohe Konzentration an Feinstaub bei einigen Lungenerkrankungen sicherlich eine Rolle spielt. Aber auch hier muss langfristig weiter geforscht werden, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.

  • Woran erkenne ich schlechte Luft zuhause oder im Büro? 

    Schlechte Luft ist nicht immer leicht zu erkennen, weil viele Partikel relativ geruchsarm, bzw. sogar geruchsneutral sind. Müdigkeit oder Kopfschmerzen sind aber schnelle Indizien für einen akuten Sauerstoffmangel im Raum. Oft wird diese Luft als verbraucht und stickig wahrgenommen. Mit dem berühmten Stoßlüften gelangt schnell neuer Sauerstoff in Wohn- und Büroräume, auch wenn das nur eine kurzweilige Maßnahme für frische Luft im Innenraum darstellt.

    Wer längerfristig für ein angenehmes Raumklima sorgen möchte, sollte auch auf die Zimmertemperatur und Luftfeuchtigkeit achten. Die natürlichste Art, um für ein ausgeglichenes Raumklima zu sorgen, sind tatsächlich Zimmerpflanzen. Hier können aber auch Keime verstärkt sein (Aspergillen), die auch mal allergische Reaktionen hervorrufen können Ein Großteil an Wasser, das die Pflanzen aufnehmen, geben sie wieder in den Raum ab und filtern zudem Schadstoffe wie Formaldehyd, Trichlorethylen oder Benzol aus der Luft.

  • Was halten Sie von Geräten zur Messung, Befeuchtung und Reinigung der Luft?

    Ich persönlich bin hier etwas ambivalent. Zum einen finde ich es gut, dass der Luftqualität in den letzten Jahren vermehrt Bedeutung zugeschrieben wird. Auf der anderen Seite kursieren auf dem Markt derzeit viele Luftreiniger mit ihren Mess- und Feinstaubsensoren, die noch nicht ausreichend auf ihre Legitimation überprüft wurden. Der Verbraucher sollte nicht auf jede Werbebotschaft hereinfallen und schauen, ob es Publikationen gibt, die wissenschaftlich belastbar sind oder besser einen Experten aufsuchen.

    Wenn dann entsprechende Studien vorliegen, dass die entsprechenden Geräte einen wirklichen Nutzen für den Verbraucher generieren, habe ich als Facharzt natürlich nichts dagegen. Vielleicht sollten wir aber nicht verlernen, körperliche Anzeichen, wie beispielsweise Kopfschmerzen aufgrund von Sauerstoffmangel, richtig zu deuten.

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  • Welche Lungenerkrankungen gibt es bzw. welche Erkrankungen sind am häufigsten?

    An dieser Stelle wäre es falsch zu pauschalisieren. Es gibt jedoch bestimmte Stoffe die Erkrankungen der Lunge häufiger beeinflussen. Die Blütezeit in Verbindung mit Heuschnupfen kann Asthma triggern. Wer raucht, fördert damit das Risiko einer chronischen Bronchitis (COPD), die weltweit zu den häufigsten Todesursachen neben Herzinfarkt und Schlaganfall zählt.

    Es gibt auch bestimmte Stoffe, die die Lungenbläschen selbst angreifen und eine Lungenentzündung hervorrufen können, was wiederum zu einer Lungenvernarbung – einer sogenannten Fibrose – führen kann. Zusammengefasst: Es gibt viele unterschiedliche Faktoren, die die Lunge negativ beeinflussen können. Ihre Häufigkeiten variieren.

  • Was können erste Anzeichen einer Lungenerkrankung sein?

    Das, was den Patienten letztendlich zum Arzt führt, ist typischerweise die Symptomatik. In der Pneumologie gibt es Kardinalsymptome wie Luftnot, Husten, Auswurf und Brustenge, die böse Vorboten einer ernsthaften Atemwegserkrankung sein können.

    Eine hohe Luftschadstoffbelastung hat ebenso extreme Auswirkungen auf das Herz und das Kreislaufsystem, die sich als erste Anzeichen in einer gestörten Blutgerinnung, Bluthochdruck (Hypertonie), oder Arteriosklerose zeigen kann.

  • Jetzt mal Tacheles: Wie schädlich ist Rauchen wirklich?

    Wissenschaftler des DKFZ errechneten: Raucher sterben durchschnittlich zehn Jahre früher als Nicht-Raucher. Selbst Raucher mit weniger Zigaretten pro Tag oder Konsumenten der e-Zigaretten kommen nicht ungeschoren davon, zumal die Entwicklung eines Lungentumors ganz klar mit dem Zigarettenkonsum korreliert. Rauchen ist also sehr schädlich für die Lunge. Wer lange und gesund leben will, sollte das Rauchen unterlassen. Es ist die Lunge, die sich am Ende bedanken wird.

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  • Sind Lungenkrankheiten vererbbar?

    Generell nicht. Leider gibt es durchaus eine ganze Reihe an vererbbaren Lungenerkrankungen, wie beispielsweise die Mukoviszidose, eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung. Diese gehört, wie auch der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, eher zu den seltenen Erbkrankheiten. Auch die hereditärepulmonal-arterielle Hypertonie (hPAH) oder Formen der Lungenfibrose können genetisch weitergegeben werden.

  • Wie kann ich mich vor einer Lungenerkrankung schützen?

    So platt es klingen mag: Ein gutes Immunsystem ist die Basis eines gesunden Lebens. Dafür sollte man auf eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und erholsamen Schlaf achten. Wer dann auch noch versucht, Risikofaktoren – wie Zigaretten- und Feuerrauch, Abgase oder chemische Reinigungsmittel – möglichst gering zu halten, ist schon auf dem richtigen Weg.  Zusätzlich schützen Impfungen, wie beispielsweise auch die Grippeschutzimpfung, präventiv vor einer Vielzahl viraler und bakterieller Erkrankungen.

  • Haben Sie derzeit Patienten mit Corona in Ihrer Klinik?

    Toi toi toi, derzeit haben wir keine akuten Corona-Patienten im Haus. Dagegen haben wir eine Vielzahl an Patienten, die Covid-19 hatten und jetzt mit den Folgen, wie z.B. Veränderung der Lunge und am Herzen, Konzentrationsstörungen, Thrombosen etc., zu kämpfen haben. Darum kümmern wir uns derzeit.

  • Was sollte Ihrer Meinung nachhaltig in Deutschland passieren, um unsere Luft weiter sauber und ungefährlich zu halten?

    Da gibt es viele Dinge. Zum einen müssen wir die Umwelt- und Luftverschmutzung dauerhaft minimieren. Der Umstieg auf erneuerbare Energien wie Wind-, Wasser- und Sonnenkraft sollte weiter verstärkt und Filter- und Katalysatoren weiter verbessert werden. 
     
    Ebenso wichtig ist es, dass wir uns in unserem täglichen Leben wieder stärker bewusst machen, was gut und was schädlich für unsere Gesundheit ist. Bei jedem Atemzug fließt ungefähr ein halber Liter Luft durch unsere Lungenflügel und das ein ganzes Leben lang. Besser wäre es also, unser lebensnotwendiges Organ durch Bewegung fit zu halten und wie einen Schatz zu hüten.

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