Zwei Kollegen diskutieren in einer Werkhalle miteinander

Mobbing am Arbeitsplatz: Was tun, wenn die Stimmung im Team toxisch wird?

Ob unfaire Kritik, Lästern oder sogar bewusste Sabotage: Mobbing am Arbeitsplatz kann viele Gesichter haben. Diplom-Psychologe Martin Figgen erklärt, was hinter dem Phänomen steckt und was Führungskräfte und Mitarbeitende dagegen tun können.

Wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es Konflikte – das gehört auch im Arbeitsalltag dazu. Problematisch wird es jedoch, wenn einzelne Mitarbeitende bewusst schikaniert oder ausgeschlossen werden. Dann spricht man von Mobbing. Und dieses Phänomen ist weit verbreitet.

Das zeigt auch die aktuelle Statista-Umfrage in Kooperation mit YouGov zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz: 29 Prozent der Befragten  geben an, schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein. 17 Prozent haben Mobbing demnach bei Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten miterlebt. Vier Prozent gaben zu, selbst schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt zu haben.

Mobbing soll Kolleginnen und Kollegen vertreiben

Im Kontext der Arbeitswissenschaften wird Mobbing als regelmäßig stattfindendes, aggressives Verhalten definiert: "Jemand wird also über einen längeren Zeitraum, per Definition mindestens einmal pro Woche und über drei Monate hinweg, systematisch schikaniert, benachteiligt oder ausgegrenzt", erklärt Martin Figgen, Diplom-Psychologe beim NRW-Landesinstitut für Arbeitsgestaltung (LIA.nrw). Dabei hätten die Mobbenden laut Martin Figgen ein klares Ziel – die betroffene Person soll "aus ihrem Arbeitsverhältnis entfernt" werden.

Unangenehme Arbeitsaufträge oder disziplinarische Maßnahmen seitens des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin seien hingegen nicht als Mobbing anzusehen. Bemerkt man aber, dass sich das Sozialverhalten der Kolleginnen und Kollegen einem selbst oder anderen gegenüber dauerhaft verändert, gilt es aufzuhorchen.

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Ich werde gemobbt – was kann ich tun?

Die auf den ersten Blick einfachste Lösung, sich zu wehren, wäre wohl: Das Gespräch mit dem oder der Mobbenden suchen. Häufig werden die Schikanen jedoch kleingeredet nach dem Motto: "Das war doch nur Spaß!" oder "Sei doch nicht so empfindlich." Kein Wunder also, dass Reden oft nichts bringt. In diesem Fall sollten sich Betroffene Verbündete suchen, rät Martin Figgen. "Und zwar sowohl auf der Arbeit als auch privat. Es ist wichtig, das Problem öffentlich zu machen." Dabei gilt: Je mehr Verbündete, desto besser.

Prinzipiell ist es für Betroffene aber auch sinnvoll, die Situation beziehungsweise die eigene Wahrnehmung kritisch zu hinterfragen. Mobbing erzeugt Stress – und unter Stress fällt es schwer, rational zu denken und zu handeln. Man sollte sich daher davor hüten, jede unbedachte Bemerkung von Kolleginnen und Kollegen "auf die Goldwaage zu legen" und einen Angriff auf die eigene Person dahinter zu vermuten. In vielen Fällen reicht es aus, solche Vorfälle direkt anzusprechen und so eine Klärung der Situation herbeizuführen.

Erfahrungen dokumentieren und Beratung suchen

Zudem gibt es – vor allem in größeren Unternehmen – innerbetriebliche Anlaufstellen, an die Betroffene sich wenden können. Dazu gehören unter anderem Betriebsärzte und -ärztinnen, Gleichstellungsbeauftragte, SAP (soziale Ansprechpersonen) oder der Personalrat. Darüber hinaus empfiehlt der Diplom-Psychologe ein Mobbing-Tagebuch, denn oft können sich Betroffene gar nicht genau erinnern, was schiefgelaufen ist. Daher kann es helfen, die Vorgänge genau zu dokumentieren. Was genau hat mein Kollege oder meine Kollegin gesagt oder gemacht? Wann und wo hat das Mobbing stattgefunden? Wie habe ich mich dabei gefühlt?

Als weitere Option nennt Martin Figgen telefonische Beratungsangebote wie beispielsweise die MobbingLine des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier finden Betroffene Hilfe, die sich lieber abseits ihres direkten Umfeldes mit jemandem austauschen möchten. Die MobbingLine wird von ausgebildeten, ehrenamtlich arbeitenden Beraterinnen und Beratern betreut. Diese stärken die Ratsuchenden und beraten im Hinblick auf die nächsten Handlungsschritte. Außerdem vermitteln sie gegebenenfalls Anlaufstellen wie therapeutische Praxen, Ärztinnen und Ärzte oder auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwaltskanzleien.

Mobbing macht krank

Auch wenn es schwierig erscheint: Es ist wichtig, das Mobbing-Problem anzugehen. Es kann den Arbeitsplatz zur Hölle machen und sich dadurch sowohl auf die psychische als auch die körperliche Gesundheit auswirken. "Das beginnt mit sogenannten Befindensbeeinträchtigungen", erklärt Martin Figgen. "Man ist antrieblos, will nicht aus dem Bett oder hat Angst, zur Arbeit zu gehen." Dann werde Mobbing schnell zum Teufelskreis: "Agiert eine Person am Arbeitsplatz ängstlich, macht sie möglicherweise mehr Fehler – und bietet so den mobbenden Personen noch mehr Angriffsfläche."

Hören die Schikanen nicht auf, können sie psychosomatische Beschwerden und manifeste Krankheiten auslösen. Dazu gehören depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme oder Magen-Darm-Erkrankungen. Martin Figgen hält es aber grundsätzlich für keine gute Idee, sich wegen Mobbings – oder vielmehr den daraus resultierenden Symptomen – immer wieder eine Krankschreibung abzuholen: "Das ist nur eine kurzzeitige Strategie. Vielmehr muss man das Problem langfristig aus der Welt schaffen."

Vorurteile und Diskriminierung machen krank

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"Soziale Unterstützung ist die bedeutsamste Ressource"

Beobachtet man über einen längeren Zeitraum, wie ein Kollege oder eine Kollegin schikaniert wird, sollte man in jedem Fall einschreiten. "Sprechen Sie die betroffene Person aktiv an und beziehen Sie Position", appelliert Martin Figgen. Denn: "Soziale Unterstützung ist die bedeutsamste Ressource am Arbeitsplatz." Das bedeutet beispielsweise: sich nicht an Lästereien beteiligen, Hilfe anbieten oder einfach nur mit der betroffenen Person Mittagessen zu gehen.

Auch Führungskräfte sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und sich entsprechend verhalten. So können zum Beispiel Team-Besprechungen oder Mitarbeitergespräche, in denen Mobbing gezielt thematisiert wird, hilfreich sein. Dies kann eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Mobberinnen und Mobber haben. Gibt es konkrete Fälle, sollten Vorgesetzte schlichten. Dazu gehört: Position beziehen, die Handlungen aufzeigen, eine Verhaltensänderung von der mobbenden Person einfordern sowie Sanktionen androhen – und diese gegebenenfalls auch verhängen. Hierbei ist eine Kündigung nicht auszuschließen.

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Mobbing kann jeden treffen – überall

Grundsätzlich gilt: Betroffene sollten die Schuld nie bei sich suchen – denn Mobbing kann jeden treffen. Es sei laut Martin Figgen jedoch auffällig, dass sich unter den Betroffenen besonders häufig Personengruppen befinden, die sich von den anderen Beschäftigten in irgendeiner Form unterscheiden. Überdurchschnittlich häufig von Mobbing betroffen sind Frauen, jüngere Beschäftigte (zum Beispiel Azubis) und auch ältere Mitarbeitende.

Neben Geschlecht und Alter bieten aber auch häufig die Hautfarbe, der Kleidungsstil oder sonstige körperliche Merkmale den Mobbenden Angriffsfläche. Die Schikanen können übrigens auf jeder Hierarchie-Ebene im Unternehmen stattfinden, häufig auch seitens des Chefs oder der Chefin. Dann spricht man von "Bossing". Von "Staffing" ist die Rede, wenn Führungskräfte selbst Opfer werden. Das allerdings kommt seltener vor.

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Unsicherheiten als Nährboden für Mobbing

Aber wie kommt es überhaupt zu diesem Psychoterror? Martin Figgen nennt vier zentrale Ursachen:

  • Schlechte Arbeitsorganisation wie Personalmangel und den dadurch ausgelösten Stress

  • Mangelhafte Arbeitsgestaltung, also beispielsweise monotone Aufgaben – "Langeweile-Mobbing" ist weit verbreitet

  • Autoritärer Führungsstil beziehungsweise fehlende Wertschätzung und mehr Tadel statt Lob

  • Fehlende Gesprächskultur

Ein schlechtes Betriebsklima bietet also einen Nährboden für Mobbing. Zahlen zeigen zudem: "Manche Branchen haben stärker mit Mobbing zu kämpfen als andere", so der Diplom-Psychologe. Während im öffentlichen Dienst, in sozialen Berufen, in Banken oder Versicherungsbetrieben häufiger gemobbt wird, geht es etwa in der Landwirtschaft oder im Gartenbau friedlicher zu.

Eine höhere Mobbing-Wahrscheinlichkeit hängt laut Martin Figgen mit dem steigenden Veränderungsdruck in den jeweiligen Branchen zusammen. Als Beispiel nennt er die Finanzkrise 2008: Zu dieser Zeit seien die Mobbing-Zahlen in Deutschlands Banken stark angestiegen. In so einem Fall herrscht große Unsicherheit im Unternehmen – Stellen fallen weg, Gehälter werden gekürzt und sonstige Umstrukturierungsmaßnahmen unternommen. Dann sehen potenzielle Mobbende in ihren Kolleginnen und Kollegen eine Gefahr, die sie loswerden möchten. "Daraus resultiert die Einstellung: Bevor ich selbst von negativen Folgen betroffen bin, mache ich andere zu Betroffenen."

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