Illustration: Ein Mann mit riesigem Schraubenschlüssel beim Fließband

New Work im Handwerk: Geht das?

„New Work im Handwerk? Moderner Schnickschnack!“ – So und ähnlich hörte man es lange Zeit von Betriebsinhabern und Meistern alter Schule. Doch Digitalisierung und flexible Arbeitsmodelle machen auch vor dem Handwerk nicht halt. Wir erklären, was New Work ist, was die Vorteile für Handwerksbetriebe sind und welche Möglichkeiten es im Handwerk gibt.

New Work ist kein Modewort, sondern ein neues Verständnis von Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, das Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende zukünftig von einem Unternehmen erwarten – auch im Handwerk. Wer weiterhin erfolgreich sein will, muss sich umstellen.

Experte Robin Kaufmann, MSc. Psychologie des IFBG – Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung, erläutert, wofür der Begriff „New Work“ steht und wie sich dessen innovative Arbeitsansätze direkt auf Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit in Betrieben auswirken können.

Was ist New Work?

„New Work“ ist seit einigen Jahren aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Doch wenn man nachhakt, wofür dieser Begriff eigentlich steht, erhält man unterschiedliche Antworten. Was ist New Work denn nun eigentlich?

"Der Begriff New Work hat keine klare Definition, beschreibt im aktuellen Zeitgeist jedoch meist Veränderungen des Arbeitsalltags, die die Arbeit zum Wohle des Menschen verbessern sollen", erläutert Experte Robin Kaufmann.

New Work ist u. a. geprägt durch:

  • Selbstbestimmung

  • Flexibilisierung von Arbeitsort (Homeoffice, Remote Work) und Arbeitszeit (z. B. Jobsharing, Teilzeitmodelle, Vier-Tage-Woche)

  • neue Arbeitsformen

  • Digitalisierung von Kommunikation und Prozessen, Nutzung digitaler Werkzeuge (Tools, Apps)

  • Fokus auf Arbeitsergebnissen statt auf abgeleisteter Arbeitszeit

  • sinnstiftende Arbeit

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Was sind die Vorteile von New Work im Handwerk?

Wenn von New Work die Rede ist, denken viele zunächst an zeit- und ortsflexibles Arbeiten. Unter diesem Aspekt scheinen New Work und Handwerk nicht recht zusammenzupassen, schließlich kann man Drechseln, Backen oder Mauern schlecht im Homeoffice erledigen.

Kernelemente von New Work sind jedoch nicht nur Flexibilität und Homeoffice, sondern auch Selbstbestimmung, Übertragung von Verantwortung auf den Einzelnen und generell das Wohl des Menschen in seinem Beruf. Besonders die Freiheit, einen Großteil des Arbeitsalltags selbst organisieren zu können, ist dabei ein großer, im Handwerk oft noch unterschätzter Motivator.

"Die Unternehmenskultur ist ein weiteres Arbeitsfeld, das man unter der New-Work-Lupe betrachten kann", erklärt Robin Kaufmann. Stichwort Fehlerkultur: "Werden Fehler der Mitarbeitenden bestraft oder vielmehr als Chance zum Lernen oder der Prozessverbesserung genutzt?"

Wenn Fehler ausschließlich abgestraft werden, kann das die Innovationsfreude hemmen. Schlimmer noch: Wenn Fehler aus Angst vor Konsequenzen verschwiegen werden, kann dies zu eskalierenden Fehlerketten führen. Werden Fehler hingegen akzeptiert, reflektiert und erfolgt ein offener, konstruktiver Umgang damit, so ermöglicht das den Aufbau einer modernen Lern- und Vertrauenskultur.

Der Einsatz digitaler Tools kann bestimmte Arbeitsschritte erleichtern und monotone oder zeitaufwändige Tätigkeiten abnehmen. Dann steht das tatsächliche Können der Mitarbeitenden – die eigentliche Handwerksarbeit – wieder im Mittelpunkt des Tuns. Auf diese Weise können Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität gleichermaßen gesteigert werden, da nicht nur die eigene Arbeit an Relevanz und Sinn gewinnt, sondern auch zeitintensive Prozesse wegfallen.

Zufriedene Mitarbeiter, die Wertschätzung erfahren und mit denen auf Augenhöhe kommuniziert wird, arbeiten meist effizienter und sind seltener krank. Das merken auch die Kundinnen und Kunden. Und wenn die attraktiven, im Betrieb implementierten New-Work-Maßnahmen dann auch noch in Stellenanzeigen und auf Social Media benannt werden, kann dem Azubi- oder Fachkräftemangel aktiv entgegengewirkt werden.

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Wie kann New Work im Handwerk in der Praxis aussehen?

New Work – nur etwas für Start-ups und Büroleute? Keineswegs! Viele New-Work-Maßnahmen scheinen zwar eher auf Bürojobs ausgerichtet zu sein, doch das sollte Betriebe im Handwerk nicht davon abhalten, New Work einzuführen. Im Gegenteil! Experte Kaufmann betont: "Das Handwerk hat sogar einen entscheidenden Vorteil: Die direkte Arbeit an einem Produkt – seien es Torten, Holzspielzeug, Dächer oder Elektrotechnik – liefert klare Ergebnisse für geleistete Arbeit. Diese sehr unmittelbare Rückmeldung über die eigenen Arbeitsergebnisse und den Sinn der eigenen Arbeit fehlt vielen Bürojobs. Dort sind die eigenen Ergebnisse meist abstrakter oder tragen nur in kleinem Teil zu größeren Prozessen bei."

Möglichkeiten für die Implementierung von New Work im Handwerksbetrieb gibt es viele:

  • Digitale Messgeräte

    Digitale Messgeräte können aufwändige Prozesse beschleunigen. Die Messdaten sind in Echtzeit in der Cloud und können im Büro rasch weiterverarbeitet werden.

  • Tools und Apps

    Kleine, digitale Helferlein ("Tools" und Apps, z. B. Trello) ermöglichen dem Team, jederzeit den Überblick zu behalten, wo früher "Zettelwirtschaft" herrschte – ob bei Auftragsorganisation, -dokumentation, Terminplanung oder Einkauf.

  • Flachere Hierarchien

    Gerade in kleineren Betrieben ist eine Enthierarchisierung denkbar. "Das ist leichter gesagt als getan, da die Führungsaufgaben dann vom Team erfüllt werden müssen", sagt Kaufmann. Deshalb sollten Erwartungen und Befürchtungen vorab geklärt sowie notwendige Kompetenzen gefördert werden. In regelmäßigen Meetings werden Ausrichtung und strategische Planung des Betriebs besprochen. Damit alle Stimmen gehört werden und sich nicht einzelne Kolleginnen und Kollegen als „neue Vorgesetzte“ aufspielen, braucht es für die Teamkommunikation klare Verhaltensregeln und eine solide Vertrauensbasis.

Natürlich hängen die Möglichkeiten der Etablierung neuer Arbeitsmethoden und -prozesse sehr von der Branche und dem individuellen Betrieb ab. So kann für die eine Firma agiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice gut passen, für einen anderen Betrieb sind jedoch eher selbstbestimmte Arbeitsweisen, Jobsharing und weniger hierarchische Strukturen sinnvolle Schritte. Nicht zuletzt spielt auch die Geisteshaltung (das „Mindset“) von Chef oder Chefin und Mitarbeitenden eine Rolle, denn oftmals herrschen noch traditionelle Vorstellungen davon vor, wie Arbeit „zu sein hat“.

"Wichtig ist jedenfalls, dass New Work nicht zum Selbstzweck wird", so Robin Kaufmann. Vielmehr gilt es, ein klares Ziel im Kopf zu haben: Wohin soll sich mein Unternehmen entwickeln? Von diesem Ziel aus können dann individuell New-Work-Methoden abgeleitet werden. "So fühlen sich neue Arbeitsweisen weniger fremd an", sagt der Experte.

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New Work: Praxisbeispiele aus dem Handwerk

Es gibt bereits Beispiele aus der Praxis, die zeigen, wie erfolgreich sich die Einbindung von New-Work-Elementen auf Betriebe auswirken kann:

Tischlerei Mhoch3 in Köln: Der Betrieb in der Kölner Tischlerei läuft ohne Hierarchien. Auf einem großen Board in der Werkstatt ist einsehbar, welcher Kollege für welchen Auftrag verantwortlich ist. Die App Trello als digitaler Helfer verschafft einen Überblick der Aufgaben und regelmäßige Besprechungen sorgen für gute Kommunikation. Die Selbstverantwortung jedes Einzelnen wird aktiv gefördert.

Fahrradkollektiv Radspannerei in Berlin: In dem Berliner Fahrradladen mit Werkstatt gibt es keine Hierarchien. Wichtiges – ob Einstellungen, Finanzen oder Strategisches – wird gemeinsam in verschiedenen Gruppen (Plenen) besprochen und entschieden. Im Winter gibt es keine Entlassungen und im Sommer kein Urlaubsverbot.

Bäckerei Leonhardt in Baden: Der Bäckereibetrieb bietet flexible Arbeitszeiten. Um die Work-Life-Balance zu wahren, werden Wunschschichten berücksichtigt. Einige Angestellte arbeiten in Vier-Tage-Woche. Selbst Bäcker in der Backstube haben mal ein freies Wochenende. Um sich sukzessive von der Nachtarbeit zu lösen, wird tagsüber ganz frisch gebacken. Alles wird über Social-Media-Kanäle kommuniziert.

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